# taz.de -- EU-Fischereipolitik: Friede, Freude, Fangquote
> Silberstreif im Fischernetz: Die neuen EU-Fangquoten beglücken Industrie
> und Wissenschaft. Die nachhaltige Politik macht sogar Meeresschützer
> glücklich.
IMG Bild: Der tote Dorsch scheint zu lächeln
LÜBECK taz | Den Fischen in der Ostsee geht es besser, sogar die
Umweltschützer sind zufrieden. Das ist das weitgehend unstrittige Echo auf
die Fischfangquoten für 2013, welche die Agrar- und Fischereiminister der
EU am Montagabend in Luxemburg für die Ostsee festgelegt haben.
Leicht erhöht wurden die Quoten für Heringe und Sprotten, für den Dorsch
wurden sie sogar gesenkt. Daran gebe es „aus Naturschutzsicht nichts
auszusetzen“, sagte Karoline Schacht, Fischereiexpertin der Umweltstiftung
WWF, „weil die Minister nicht über die wissenschaftlichen Empfehlungen
hinausgeschossen sind“.
Das sieht auch Matthias Keller, Geschäftsführer des
Fischinformationszentrums der Deutschen Fischereiindustrie, so: „Den
Fischern schadet dieser Rückgang nichts und den Fischen nützt er“, sagte
Keller am Dienstag bei einer Konferenz zur europäischen Fischereipolitik in
Lübeck. Im laufenden Jahr hätten die deutschen Fischer die Dorschquote „gar
nicht ausgefischt, weil es an Nachfrage und guten Marktpreisen mangelte“.
„Das ist die richtige Strategie, um die weitere Erholung der Bestände zu
erreichen“, kommentierte auf der Konferenz im Lübecker Hafen auch
Christopher Zimmermann. Er ist Vizedirektor des Von-Thünen-Instituts, einer
wissenschaftlichen Forschungsstelle des Bundeslandwirtschaftsministeriums.
## „Dorschwunder“in der Ostsee
Das „Dorschwunder“ der jüngsten Zeit würde auf diese Weise sinnvoll
genutzt. Um das Jahr 2005 war die Population in der Ostsee nahezu
kollabiert, nach der mehrjährigen Absenkung der Fangquoten seien die
Bestände inzwischen wieder auf das Dreifache angewachsen. „Das ist
nachhaltige Fischereipolitik“, sagte Zimmermann.
Konkret dürfen deutsche Fischer im Jahr 2013 genau 20.043 Tonnen Dorsch in
der westlichen Ostsee fangen – das sind sechs Prozent weniger als im
Vorjahr. Die EU-Kommission hatte eine Verringerung um nur zwei Prozent
vorgeschlagen. Hingegen bleibt die Fangmenge für Hering in der nördlichen
Ostsee bei 106.000 Tonnen auf Vorjahresniveau, in der östlichen Ostsee
steigt sie um 15 Prozent auf 90.180 Tonnen.
Den größten Zuwachs gibt es beim Hering in der westlichen Ostsee mit einem
Plus von 23 Prozent auf 25.800 Tonnen. Einen Zuwachs von 18 Prozent gibt es
bei Schollen und Sprotten. Die Fischfangquoten für die Nordsee werden erst
Anfang Dezember von den EU-Ministern festgelegt.
## Verschwendung durch Rückwürfe
„Für die Ostseefischereien hat sich der Silberstreif am Horizont
verbreitert“, sagt Karoline Schacht. Aber auch in Zukunft müssten sich die
Regeln der Fischereipolitik „grundsätzlich gegen Überfischung richten“.
Dafür müsse auch die Verschwendung von Fisch durch Rückwürfe gestoppt und
unerwünschte Beifänge sollten bis spätestens 2018 nahe null gebracht
werden.
Die Entscheidungen der EU würden jedoch sicherstellen, dass die
Ostseebestände im Jahr 2013 auf dem nachhaltigen Niveau des höchstmöglichen
Dauerertrages bewirtschaftet werden. „Das muss Schule machen“, forderte
Schacht. „Für gesunde Meere und volle Netze muss die Fischereipolitik
Europas Fischbestände hegen und pflegen.“
## Deutsche essen wenig Fisch
Das sieht Matthias Keller vom Fischinformationszentrum naturgemäß anders.
Der Grund dafür ist der relativ geringe Konsum hier. In Deutschland würden
pro Jahr etwa 2,1 Millionen Tonnen Fisch verzehrt, davon würden 1,8
Millionen Tonnen importiert, davon 40 Prozent aus anderen EU-Staaten.
„Deutsche Fischer landen lediglich etwa 300.000 Tonnen Fisch an“, rechnete
Keller vor: „Im Vergleich zum Fleischverzehr ist das steigerbar.“ In
Deutschland würden Verbraucher lediglich etwa 15 Kilogramm Fisch pro Jahr
verzehren, in Spanien sei es das Vierfache, in Portugal und Island sogar
das Sechsfache. Für Keller ist die Konsequenz klar: „Deutsche, esst mehr
Fisch.“
23 Oct 2012
## AUTOREN
DIR Sven-Michael Veit
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