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       # taz.de -- Friedensgespräche in Kolumbien: „Zivilgesellschaft muss dabei sein“
       
       > Am Donnerstag nimmt Kolumbiens Regierung Friedensgespräche mit der
       > Farc-Guerilla auf. Exsenatorin Piedad Córdoba erklärt, wer am
       > Verhandlungstisch fehlt.
       
   IMG Bild: Nackter Protest: DemonstrantInnen in Medellín fordern zivilgesellschaftliche Teilnahme an den Friedensgesprächen.
       
       taz: Frau Córdoba, worum geht es bei den Gesprächen: Dialog oder
       Verhandlungen? 
       
       Piedad Córdoba: Es gibt eine 5-Punkte-Vereinbarung, nach der man vorgehen
       wird. Das wird hoffentlich in eine Agenda münden, die wirklich eine
       ökonomische, politische und soziale Transformation im Land voranbringt. Das
       Wichtigste: Die Opposition muss Garantien bekommen, dass sie wirklich
       Oppositionsarbeit machen kann. Und vor allem muss das Wahlsystem verändert
       werden.
       
       Also wird es nicht vor allem um militärische Fragen gehen? 
       
       Wenn man nur über militärische Fragen verhandelt, geht man an den Wünschen
       des kolumbianischen Volkes vorbei, das sich Reformen und Veränderungen
       wünscht. Und wir dürfen nicht so tun, als würden wir, die wir Reformen
       wünschen, durch die Farc oder die ELN repräsentiert. Die Volksbewegungen
       haben ihre eigenen Vorstellungen.
       
       Wie werden die denn in den Prozess eingebracht? 
       
       Es muss und wird große Mobilisierungen auf der Straße geben. Dort müssen
       wir die Reformen erkämpfen, die wir anstreben. Die Vorschläge der Regierung
       haben keine Legitimität, wenn die Zivilgesellschaft am Verhandlungstisch
       nicht dabei ist.
       
       Alle bisherigen Regierungen, auch die von Santos, haben stets die
       Auffassung vertreten, mit der Farc ausschließlich über ihre Entwaffnung und
       die Bedingungen ihrer Demobilisierung sprechen zu wollen. Wie weit, glauben
       Sie, ist es jetzt möglich, über eine politische Agenda zu verhandeln? 
       
       Wenn der Präsident klug ist, begreift er, dass das Land Reformen braucht
       und dass man darüber am Verhandlungstisch sprechen muss. Wenn die
       Reformforderungen der Gesellschaft unbeachtet bleiben, dann wäre das ja
       kein Friedensprozess, sondern einfach eine Kapitulation.
       
       Was wären Ihrer Ansicht nach die Minimalbedingungen, unter denen sich die
       Farc demobilisieren würde? 
       
       Zuerst die Anerkennung als politische Kraft. Zweitens die Streichung der
       Farc von der Terrorliste. In dieser Hinsicht ist es bereits ein
       Fortschritt, dass europäische und lateinamerikanische Regierungen als
       Vermittler auftreten. Aber auch Themen wie die ländliche Entwicklung
       gehören dazu, und ein Ende des Paramilitarismus.
       
       Der ehemalige Präsident Álvaro Uribe und seine Anhänger sind noch immer
       stark auf der Rechten. Sie lehnen diese „Verhandlungen mit Terroristen“ ab.
       Beschränkt das nicht die Verhandlungsfähigkeit der Regierung Santos? 
       
       Wir haben schon immer gesagt, dass mit Uribe der Paramilitarismus an die
       Macht gekommen war. Heute gibt es Prozesse, es gibt Geständnisse von
       Generälen, Strafverfahren. Uribe steht gerade überhaupt nicht mehr gut da.
       Das schafft Möglichkeiten für Santos.
       
       Wie beurteilen Sie heute die Regierung Santos? Deren internationales Image
       ist sehr gut. 
       
       Es kann nicht sein, dass Medien so titeln, als sei Kolumbien schon ein
       Postkonfliktland und alles ganz prima. Zwei Beispiele: Erst ein
       Entschädigungsgesetz zu verabschieden und dann zu erklären, es gebe
       Haushaltsprobleme bei den Entschädigungsleistungen und daher könne nicht
       gezahlt werden – das ist eine Veräppelung der Betroffenen. Das Gleiche mit
       dem Landrückgabegesetz: Das wurde mit großem Pomp und unter internationaler
       Anwesenheit unterzeichnet – und dann wurden bislang 70 Aktivisten
       umgebracht, die sich für Landrückgabe nach dem Gesetz einsetzten.
       
       Und der Friedensprozess? 
       
       Genauso. Man kann sich doch nicht zu Verhandlungen hinsetzen und
       gleichzeitig weiterhin versuchen, so viele Guerilleros umzubringen wie
       möglich. Deshalb drängen wir auf einen Waffenstillstand. Ohne den kann kein
       Klima entstehen, in dem man mit Dialog in Richtung einer politischen Lösung
       vorankommt.
       
       18 Oct 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bernd Pickert
       
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