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       # taz.de -- Vier Prozent weniger Suchanfragen: Suchkumpel statt Suchmaschine
       
       > Zum ersten Mal hat das jährliche Suchvolumen in den USA abgenommen. Steht
       > etwa das Ende der Suchmaschinen bevor?
       
   IMG Bild: Suchen wir bald ganz anders?
       
       BERLIN taz | Suchmaschinen sind tot. Oder werden es bald sein. Das sagte
       sinngemäß Steve Jobs. 2010 war das, also vor ungefähr 50 Internetjahren. In
       Zeiten des mobilen Netzes würden Empfehlungs-Apps die Netzsuche ablösen.
       
       Der Zeitpunkt, an dem das Nutzerveralten kippt, könnte jetzt gekommen sein:
       Zum ersten Mal hat das jährliche Suchvolumen in den USA abgenommen. Der
       Analyst Ben Schachter von Macquarie Securities spricht in [1][einer
       Untersuchung] von einem Rückgang von vier Prozent. Zum Vergleich: 2005 war
       die Anzahl der Suchanfragen in den Staaten um 58,5 Prozent gewachsen, 2010
       noch um 11,5 Prozent.
       
       Nun hat jedes Wachstum seine Grenze, und angesichts der Tatsache, dass 78
       Prozent der erwachsenen US-Amerikaner das Internet nutzen, und darunter 92
       Prozent auf Suchmaschinen zurückgreifen, um Informationen zu finden, sind
       die Wachstumsraten der nuller Jahre kein Maßstab. Aber stabil bleiben
       müsste das Suchvolumen dennoch. Der Rückgang der Zahlen allerdings hat
       Beobachter immer wieder veranlasst zu fragen, ob die Zeit der Suchmaschinen
       nicht ihrem Ende entgegengeht.
       
       Es gibt andere Trends, die dieser Prognose Futter geben. Viele große Player
       arbeiten daran, die Wissbegier ihres Klientels möglichst zu beschneiden,
       weil sie den eigenen Interessen im Wege steht. Die mit „beschissen“ noch
       wohlwollend umschriebene [2][Suchfunktion in allen sozialen Netzwerken] ist
       dafür das sprechendste Beispiel. Google selbst hat das Projekt, objektive
       Suchkriterien festzusetzen, aufgegeben und versucht, durch soziale
       Komponenten zu Ergebnissen zu kommen; mit der Konsequenz, dass es den
       Anspruch verloren hat, ein Schaubild des online verfügbaren Weltwissens zu
       sein. In einem [3][Interview] sagte Jack Mentzel, Ziel sei es, dass der
       Nutzer nicht mehr lernen müsse zu suchen: die Suchfunktion müsse „wie ein
       bester Freund sein, dialogorientiert und simpel.“
       
       ## Google als Blindenhund
       
       Suchkumpel also statt Suchmaschine. Google denkt sich als Blindenhund, der
       immer das richtige aportiert, aus einem Raum heraus, den der Nutzer nicht
       mehr versteht. Überhaupt nicht mehr verstehen soll.
       
       Ob der Nutzer das will, ist eine andere Frage. Die rückläufigen Suchzahlen
       scheinen das zu suggerieren, allein: Sie sind nicht so aussagekräftig wie
       sie tun. Die Suche im Internet hat sich diversifiziert, und nicht nur bei
       dieser Untersuchung werden ausschließlich Desktop Searches gezählt:
       Wunderwachstum aber gibt es momentan bei sprachgesteuerten Suchfunktionen.
       Tatsächlich verzeichnet Google den gleichen [4][exorbitanten Zuwachs an
       mobilen Anfragen], wie es ihn in den ersten drei Jahren bei Desktopsuchen
       erlebte.
       
       Das Informationsbedürfnis ist also ungebrochen. Bleibt das Problem der
       Blase, die Google und andere Suchmaschinen um den Nutzer pusten, da sie
       social werden. Wenn Google sich immer mehr an sozialen Parametern
       orientiert, bedeutet das nicht auch ein Ende der Suche?
       
       Nein, denn die vorherigen Kriterien waren auch keine Objektivitätsgaranten.
       Die Blase war nur größer, was den Ergebnissen eine gewisse Autorität
       verlieh. Jetzt immerhin ahnt er, dass seine Trefferliste eher ihn abbildet
       als das ominöse Weltwissen, dass sie ihm eher nach dem Mund redet.
       
       ## Nicht blind vertrauen
       
       Das könnte ein Problembewusstsein schaffen für einen Umstand, der zunächst
       einmal überraschend klingt: Die Suchfunktion war bisher zu gut. Das ist
       eine [5][These von Jakob Nielsen]: Suchmaschinen sind zu
       Beantwortungsmaschinen geworden. Mit der Konsequenz, dass die Nutzer nicht
       mehr wissen, wie man sucht. Zu einem ähnlichen Ergebnis kam [6][eine Studie
       mit amerikanischen College-Studenten]: Die Studenten hatten „im großen und
       ganzen keine Ahnung, wie eine Suchmaschine die Ergebnisse organisiert und
       darstellt. Und so wussten sie nicht, wie man eine Suche aufzieht, um zu
       brauchbaren Resultaten zu kommen.“ Sie müssten erst mal suchen lernen. Und
       nicht blind der Suchmaschine vertrauen. Wohin das führt, kann man an den
       unzähligen Artikeln über die Autocomplete-Funktion, Bettina Wulff und Arne
       Friedrich sehen: zu diskursiven Luftgitarrennummern nämlich.
       
       Die Frage ist also nicht, wie oft, sondern wie Suchmaschinen benutzt (und
       nicht orakelhaft befragt) werden. Das aber ist kein Problem, das man im
       Maschinenraum löst: Das ist ein Problem der Medienkompetenz, der
       Ausbildung. Die Schule ist der Ort, an dem Steve Jobs wiederlegt werden
       kann, nicht das Google Headquarter.
       
       17 Oct 2012
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.businessinsider.com/peak-search-google-search-query-decline-2012-10
   DIR [2] http://www.spiegel.de/netzwelt/web/s-p-o-n-die-mensch-maschine-warum-soziale-netzwerke-sich-nicht-durchsuchen-lassen-a-809520.html
   DIR [3] http://techcrunch.com/2012/09/09/google-search-a-discussion-about-the-past-present-and-future-with-jack-menzel/
   DIR [4] http://www.blindfiveyearold.com/search-trends-to-watch-2011
   DIR [5] http://www.useit.com/alertbox/search-skills.html
   DIR [6] http://mashable.com/2011/08/22/the-google-gap-college-kids-arent-good-at-searching-study/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Frédéric Valin
       
       ## TAGS
       
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