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       # taz.de -- Rentenversicherung für Selbständige: 80.000 gegen die Pflicht
       
       > Selbstständige protestieren gegen die geplante Pflicht zur
       > Rentenversicherung. Doch für das Arbeitsministerium geht es nur noch um
       > das „Wie“ der Reform.
       
   IMG Bild: Viele Selbständige befürchten, dass sie mit der Rentenversicherungspflicht schon in jungen Jahren verarmen.
       
       BERLIN taz | Der Montag war ein kleiner Erfolg für Tim Wessels und seine
       Mitstreiter. Der 27-Jährige, der in Hamburg und Münster zehn Mitarbeiter
       beschäftigt, reichte im März eine Petition im Bundestag ein. In kürzester
       Zeit unterschrieben 80.000 Personen gegen die Einführung einer
       Rentenversicherungspflicht für Selbstständige. So musste sich am Montag der
       Petitionsausschuss des Bundestags mit den Protesten befassen.
       
       Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) will die Versicherungspflicht.
       Sie soll für alle Selbstständige unter 30 Jahren greifen. Diese müssten
       künftig, so die neue Berechnung aus dem Ministerium, rund 260 Euro pro
       Monat in eine private Altersvorsorge oder die Gesetzliche
       Rentenversicherung (GRV) stecken. Für 30- bis 50-Jährige soll die Pflicht
       nur gelten, wenn sie nicht bereits ausreichend vorsorgen. Über 50-Jährige
       wären befreit, gleichfalls Selbstständige, die über berufsständische
       Versorgungswerke abgesichert sind.
       
       „Durch so ein Gesetz würden viele Selbstständige ihre Existenz verlieren
       und die Sozialsystem belasten“, sagte Wessels. Er nennt Zahlen des
       Mikrozensus, nach denen rund 1 Million Selbstständige weniger als 1.100
       Euro netto monatlich verdienen. Insgesamt gibt es in Deutschland 4,3
       Millionen Selbstständige. 2,4 Millionen davon beschäftigen keine
       Mitarbeiter. Sie knapsen meist am Existenzminimum herum. Schon der
       pauschale Beitrag von rund 300 Euro zur Krankenversicherung sei für sie
       kaum zu leisten, so Wessels.
       
       Hans-Joachim Fuchtel, Staatssekretär im Arbeitsministerium, stellte am
       Montag klar, es gehe nicht um das Ob, sondern nur noch um das Wie der
       Versicherungspflicht. „Die Betroffenen sollen eine Absicherung suchen, die
       im Alter oberhalb der Grundsicherung liegt.“ Allerdings könne es für
       Existenzgründer „eine Freistellung in den ersten Jahren geben“, so Fuchtel.
       
       ## Noch kein fertiges Konzept
       
       Auch die Beitragsgestaltung stehe noch nicht abschließend fest. Man denke
       auch über die Möglichkeit einkommensabhängig gestaffelter Beiträge nach, so
       Fuchtel. Das Ministerium betont nachdrücklich, dass es noch kein fertiges
       Konzept gebe. „Wir registrieren die vielen Unterschriften der Petition
       aufmerksam“, sagte Sprecherin Christina Wendt. Auch die Empfehlung des
       Petitionsausschusses steht noch nicht fest.
       
       Martin Gasche, Forscher am Munich Center for the Economics of Aging,
       kritisiert, dass Selbstständige zwischen einer privaten und der
       gesetzlichen Versicherung wählen dürfen sollen. „In der GRV könnten sich
       dann vor allem die Selbstständigen sammeln, die ein höheres Risiko haben,
       erwerbsgemindert zu werden.“ Er nennt Bauarbeiter oder Maler, die keine
       private Berufsunfähigkeitsversicherung bekämen.
       
       In der GRV wäre die Erwerbsminderung hingegen automatisch mit abgesichert.
       Er plädiert, wenn, dann für eine gesetzliche Pflichtversicherung. „Viele
       Selbstständige wechseln zwischen Selbstständigkeit und
       sozialversicherungspflichtigen Tätigkeiten hin und her. Das kann man ohne
       großen Aufwand nur über die GRV verwalten.“
       
       15 Oct 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Eva Völpel
       
       ## TAGS
       
   DIR Arbeitslosengeld
   DIR Altersvorsorge
       
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