URI: 
       # taz.de -- Netz-Aktivist über Störerhaftung: „Wir bekommen die Abmahnungen“
       
       > Der Projektgründer von „sorglosinternet“, Wolfgang Lauterbach, über
       > IP-Adressen, Abmahnkosten und profitierende Anwaltskanzleien.
       
   IMG Bild: Internet-Café in Berlin.
       
       taz: Herr Lauterbach, wie soll die „Sorglosbox“ Internetnutzern ihre Sorgen
       nehmen? 
       
       Wolfgang Lauterbach: Die Sorglosbox ist ein vorkonfigurierter Router. Sie
       stellt eine Verbindung zu einem VPN-Server her. Wenn jemand etwas illegal
       herunterlädt, bietet sie Schutz vor Abmahnungen, weil die IP-Adresse dann
       von unserem Server kommt und nicht mehr vom Inhaber des Anschlusses. Das
       Angebot richtet sich an Leute, die ihr Internet mit Gästen teilen wollen,
       bei denen man ja nie sicher sein kann, was sie im Internet machen.
       
       Nutzer der Sorglosbox werden von der Haftung befreit, die Anmahnungen gehen
       an Sie. Wie gehen Sie mit den Forderungen um? 
       
       Angenommen jemand lädt eine geschützte Musikdatei herunter, dann ist der
       Standardprozess, dass die IP-Adresse des Anschlusses mitgeschnitten wird,
       von dem die Datei heruntergeladen wurde. Der Anschlussinhaber bekommt dann
       eine Abmahnung. Mit der Sorglosbox ist die IP-Adresse nicht mehr vom
       Betreiber, sondern von uns, das heißt, dass wir dann die Abmahnungen
       bekommen. Als Telekommunikationsanbieter ist man laut Gesetz von der
       Haftung befreit, das heißt, wir können eine Schutzfunktion für die
       Gastronomen wahrnehmen und ihnen die Abmahnsorgen abnehmen. Es ist
       gesetzlich eindeutig geregelt, dass man als Telekommunikationsanbieter von
       der Haftung befreit ist. Damit endet das juristische Spiel an dieser
       Stelle.
       
       Was machen Sie dann mit den ganzen Abmahnungen? 
       
       Es wäre bestimmt interessant mal zu zeigen, wie viele Abmahnungen
       eintreffen. Auch könnte man überlegen, die Namen der Kanzleien zu
       veröffentlichen, die regelmäßig Abmahnungen verschicken. Viele Leute, die
       keinen juristischen Background haben, können das nicht so recht einschätzen
       und zahlen dann den Betrag. Das Gemeine dabei ist: Wenn man die Forderungen
       anerkennt, eine Unterlassungserklärung unterschreibt und dann zu einem
       späteren Zeitpunkt noch mal etwas heruntergeladen wurde, wird einem gleich
       Vorsatz unterstellt, da gehen die Forderungen schon mal in die
       Zehntausende. Die Hauptprofiteure davon sind die Kanzleien, nicht die
       Musikverlage, denen der eigentliche Schaden entstanden ist.
       
       Also wird ein rechtliches Problem technisch gelöst. Halten Sie das für
       legitim? 
       
       Ich denke, es erhöht den Druck auf die Politik. Wir haben nach einer Lösung
       gesucht, weil das Problem mit den Abmahnungen jetzt besteht. Wenn das in
       zwei Jahren anders ist, sind wir froh, dass wir dazu beitragen haben.
       
       Geht es wirklich nur darum? Einige ihrer zukünftigen Nutzer wollen
       vielleicht auch einfach nur Filme schauen und Musik herunterladen... 
       
       Wir denken, dass man in Deutschland in der Lage sein muss, sein Internet zu
       teilen, ohne in eine rechtliche Falle zu treten. Wir möchten nicht zu
       Straftaten aufrufen, sehen aber das größere Problem darin, dass der
       Allgemeinheit der Zugang zum öffentlichen Netz verwehrt wird. Das wiegt
       schwerer, als wenn sich zwei Prozent illegal Musik herunterladen. Die
       Gesetzeslage zu ändern, ist ein langfristiger Prozess. Die Gastronomen
       haben die Abmahnungen tagtäglich auf dem Tisch liegen. Wenn ein Café, das
       knapp kalkulieren muss, eine 800 Euro-Abmahnung auf dem Tisch hat, wird das
       WLAN meistens abgeschaltet.
       
       Fürchten Sie, dass einige Nutzer die Sorglosbox zum Herunterladen im großen
       Stil nutzen könnten? 
       
       Unsere Zielgruppe sind nicht die IT-affinen Leute, die selbst wissen, wie
       sie Ermittlungen umgehen. Wir richten uns an die Wirte und Cafébetreiber,
       die keinen technischen Background haben. Wir wollen verhindern, dass Leute
       zur Haftung gezogen werden, die gar nicht wissen, was dazu beigetragen hat.
       
       Können Sie sehen, von welchem Anschluss entsprechende Dateien
       heruntergeladen wurden? 
       
       Wir sind rechtlich nicht verpflichtet, Logfiles anzulegen und werden dies
       auch nicht tun. Bei unseren Servern wird nichts mitgeschnitten, insofern
       kommt die Abmahnung einfach zu uns, ohne dass wir sehen können, auf welchen
       Anschluss sie sich bezieht.
       
       14 Oct 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Julia Mateus
       
       ## TAGS
       
   DIR Störerhaftung
   DIR Schwerpunkt Urheberrecht
   DIR Die Linke
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Illegales Filesharing: Bundesrichter lockern Störerhaftung
       
       Eltern haften nicht mehr für ihre volljährigen Kinder, die noch zu Hause
       wohnen und heimlich illegal Musik tauschen. Es sei denn, sie wissen davon.
       
   DIR Gesetz zu Abzocke im Netz: Weniger Kohle für Abmahn-Anwälte
       
       Ein Gesetzentwurf, der Verbraucher vor Abzocke im Internet schützen soll,
       ist fertig. Auch Abmahnungen wegen des sogenannten Schwarzkopierens sollen
       billiger werden.
       
   DIR Gesetzesentwurf für Störerhaftung: Alle sind unzufrieden
       
       Die Linke hat einen Gesetzesentwurf zur Störerhaftung in den Bundestag
       eingebracht. Die Zeit drängt, ab 2013 beginnt der Bundestagswahlkampf.
       
   DIR Musikdienst Xbox Music: Microsoft probiert's nochmal
       
       Microsoft versucht sich nach mehreren Flops erneut an einem Musikdienst.
       Der baut viele Dienste nach, die die Konkurrenz bereits anbietet.
       
   DIR Hardware gegen Störerhaftung: Sorglos dank Crowdfunding
       
       Wegen der sogenannten Störerhaftung sind offene WLan-Netze selten geworden.
       Mit der „Sorglosbox“ soll sich das ändern.
       
   DIR Urteil zu Nutzerdaten im offenen WLAN: Die Störerhaftung bleibt
       
       Ein neues Urteil hilft Betreibern von Hotspots: Sie müssen nicht die Daten
       ihrer Nutzer speichern. Doch die Haftung für Verstöße gegen das
       Urheberrecht bleibt bestehen.
       
   DIR Gesetzesentwurf zur Störerhaftung: „WLAN ist wie ein Glas Wasser“
       
       Betreiber von offenen WLAN-Netzen haften indirekt für die Handlungen seiner
       Nutzer. Nun fordern Netzaktivisten in einem Gesetzesentwurf die Abschaffung
       der „Störerhaftung“.
       
   DIR Internet für alle: Surfen an der Spree
       
       Freies WLAN überall in Berlin? Immer noch ein netter Traum. Die Initiative
       Freifunk macht jetzt in Friedrichshain-Kreuzberg einen Vorstoß.