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       # taz.de -- Riexingers Demo-Reise nach Athen: Kurzum Landesverrat
       
       > Wenn ein deutscher Linker mit den Griechen gegen Angela Merkel
       > demonstriert, dann gerät einiges durcheinander – nicht zuletzt das
       > historische Bewusstsein.
       
   IMG Bild: Muss der jetzt auch noch kommen? Den Griechen geht es nun wahrlich schon schlecht genug.
       
       Linke-Chef Bernd Riexinger nimmt an den Anti-Merkel-Demonstrationen in
       Athen teil, und sogleich sind deutsche Regierung und Boulevard ganz außer
       sich. Völlig zu Recht – den Griechen geht es nun wahrlich schon schlecht
       genug, da muss man ihnen nicht auch noch den Besuch einer Figur wie
       Riexinger zumuten.
       
       Der hat seine gedankliche Tiefe in einem rührseligen Besinnungsaufsatz im
       Neuen Deutschland ausgelotet: „Als ich das letzte Mal vor rund sechs Jahren
       in Athen war, wäre ich beinahe im Verkehrschaos der griechischen Hauptstadt
       überfahren worden. Als ich heute früh durch Athen gelaufen bin, ist mir
       zuerst aufgefallen, wie leer die Straßen selbst im Berufsverkehr geworden
       sind. Das hat nicht nur mit der extrem gestiegenen Arbeitslosigkeit zu tun,
       sondern auch mit den wegen Steuererhöhungen drastisch gestiegenen
       Benzinpreisen.“
       
       Und während Bernd Riexinger also für das Recht der Griechen, endlich wieder
       unter die eigenen Räder kommen zu dürfen, durch Athen läuft, versichert er
       der Berliner Zeitung eilfertig, worum es ihm eigentlich geht: Er habe
       nämlich „für die Interessen der deutschen Steuerzahler demonstriert“, denen
       Merkel schade, denn: „Wenn Griechenland keinen Weg der wirtschaftlichen
       Erholung findet, dann ist das Geld weg.“
       
       Der Linke-Chef als Sprecher des deutschen Steuerzahlerbundes auf den
       Straßen Athens – hoch lebe die internationale Solidarität. Da kann man die
       Griechen zu ihrer Sponti- Entscheidung, eine geplante Rede Riexingers vor
       Ort zu untersagen, nur beglückwünschen.
       
       Die Regierung dankt dem Mann seinen Einsatz für das deutsche Volksvermögen
       jedoch nicht. Patrick Döring, das putzige FDP-Maskottchen mit der Phobie
       vor der „Diktatur der Massen“, wirft Riexinger allen Ernstes vor, durch
       seine Teilnahme an den Demonstrationen nehme er „gewalttätige Eskalationen
       und eine weitere Verzerrung des Deutschland-Bildes in Griechenland in
       Kauf“.
       
       ## Nation kleinkarierter Buchhalter?
       
       Weil die Griechen, wenn sie Riexingers und Merkels leibhaftig ansichtig
       werden, endgültig glauben, die Deutschen seien eine Nation kleinkarierter
       Buchhalter? Und daraufhin im Affekt alles zu Klump schlagen? Gerda
       Hasselfeldt von der CSU hingegen faselt davon, dass Riexinger „die
       antideutschen Proteste in Athen als Bühne nutzt, um Politik gegen die
       Interessen des eigenen Landes zu machen“. Kurz: ein Vaterlandsverräter
       also.
       
       Das will die Parteizentrale der Linken natürlich nicht auf sich sitzen
       lassen. Alles eigentlich gar nicht so gemeint, versichert man dort flugs,
       damit auch bei der Parteibasis daheim niemand auf die Idee kommt, Riexinger
       ginge es womöglich ernsthaft um die Pleite-Griechen, der Termin sei „lange
       im Voraus geplant gewesen, weil in Athen eine Niederlassung der parteinahen
       Rosa-Luxemburg-Stiftung eröffnet“ werde.
       
       Wenn der Mann also ohnehin schon mal vor Ort ist, dann kann er ja dort
       gleich auch das tun, was er zu Hause ohnehin macht, nämlich gegen Frau
       Merkel sein. Sage mal einer, die Linken wüssten nichts von
       Effizienzsteigerungen. Die deutschtümelnden Rechtfertigungen beruhigen die
       Kritiker aber nicht. „Beispiellos“ meint Frau Hasselfeldt, Dobrindt
       sekundiert, der Linke breche „bewusst mit außenpolitischen
       Gepflogenheiten“. Dabei tut er genau das nun gerade nicht.
       
       Als Kanzler Gerhard Schröder 2003, zum Höhepunkt des deutsch-amerikanischen
       Streits über einen Krieg im Irak, nach Washington aufbrach, veröffentlichte
       die CDU-Vorsitzende Merkel einen Kommentar in der Washington Post:
       „Schröder spricht nicht für alle Deutschen.“ Als ParteichefIn das Ausland
       als Bühne für die innenpolitische Profilierung nutzen – da liegen Riexinger
       und Merkel voll auf einer Linie. So lange es halt der guten, also: der
       deutschen Sache dient. Für Steuerzahler, Volk und Vaterland.
       
       10 Oct 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Heiko Werning
       
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   DIR Griechenland
       
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