URI: 
       # taz.de -- Korruption im Bundestag: Zwischen Sudan und Syrien
       
       > Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages zur
       > Abgeordneten-Korruption fiel kritisch aus. Es sollte unter Verschluss
       > bleiben.
       
   IMG Bild: Korruption: Kein wirksamer Schutz im Deutschen Bundestag.
       
       BERLIN taz | Man muss kein Knecht des Kapitals sein, um sich korrumpieren
       zu lassen. Abgeordnete des Bundestags dürfen Geld von Lobbyisten annehmen,
       um deren Interessen zu vertreten. Nur direkter Stimmenkauf ist [1][nach §
       108e StGB] strafbar.
       
       Ein neues Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags nennt
       die deutschen Gesetze gegen Korruption von Abgeordneten „symbolisch“ und
       „bedeutungslos“. Deutschland weigert sich beharrlich, das [2][Übereinkommen
       der Vereinten Nationen] gegen Korruption aus dem Jahr 2003 zu ratifizieren
       und ist damit „guter“ Gesellschaft – von Myanmar, Sudan, Saudi-Arabien,
       Nordkorea und Syrien.
       
       Das heikle juristische Gutachten sollte sogar geheim bleiben, weil es
       angeblich gegen das Urheberrecht verstoße, es zu veröffentlichen. Das Blog
       netzpolitik.org hat das [3][Dokument dennoch publiziert] und beruft sich
       auf ein Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts: Das
       Informationsfreiheitsgesetz erfasse auch Dokumente des Wissenschaftlichen
       Dienste des Deutschen Bundestages.
       
       ## Keine Besserung in Sicht
       
       Das Gutachten findet klare Worte: Die Gesetze böten „zahlreiche
       Umgehungsmöglichkeiten“ und spiegelten „die gesellschaftspolitische
       Realität der stetig zunehmenden Einflussnahme auf Parlamentarier nicht
       adäquat“ wider. Besserung ist nicht in Sicht. Derzeit seien „keine
       aktuellen Initiativen der Großen Koalition zur Reformierung des § 108e StGB
       bekannt.“
       
       Niemand hat offenbar die Absicht, Bestechlichkeit und Korruption von
       Abgeordneten unter Strafe zu stellen. Das ist verständlich, würde Gesetze,
       wie sie in allen anderen Ländern Westeuropas üblich sind, doch das
       spezielle deutsche System der Parteifinanzierung und des verdeckten
       Lobbyismus aushebeln. Die Staatengruppe gegen Korruption (Greco) hatte
       schon 2009 in seinem „[4][Compliance Report on Germany]“ appelliert,
       endlich auch das vom Europarat initiierte Strafrechtsübereinkommen über
       Korruption zu ratifizieren, stieß aber beim Bundestag auf taube Ohren.
       
       Volker Kauder, der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, versteht gar
       nicht, warum Lobbyismus und indirekte Käuflichkeit der Politik verwerflich
       sein sollen: „Ich habe Kontakte zu halten zu Interessengruppen. Das wäre
       alles nicht mehr möglich, Politik würde nicht mehr funktionieren können.“
       Und Peer Steinbrück, designierter Kanzlerkandidat der SPD, sagt es frei
       heraus: „Ich glaube, dass es Transparenz nur in Diktaturen gibt.“
       
       ## Von der Politik nicht gewollt
       
       Die Fraktionen der [5][Grünen] und der [6][Linkspartei] haben jeweils
       Gesetzentwürfe vorgelegt, um die internationale Maßgaben umzusetzen. Die
       Mehrheit von CDU/CSU, SPD und FDP im Innenausschuss des Bundestages lehnte
       alles ab. Auch ein verbindliches Lobbyistenregister, das es etwa in den USA
       gibt, wird von der deutschen Politik mehrheitlich nicht gewollt.
       
       Die lasche deutsche Haltung zum Thema und die fehlenden Mindeststandards
       werden mittlerweile sogar von Vertretern der Wirtschaft kritisiert. Der
       Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI) hat die Ratifizierung der
       UN-Konvention gegen Korruption durch den Bundestag [7][dringend angemahnt].
       Der gegenwärtige Zustand schade den Interessen des deutschen Exports.
       
       Die Diskussion um die „Nebenverdienste“ der Abgeordneten bewegt sich daher
       im Kreis, solange die gesetzliche Grundlage fehlt, die bestimmt, was unter
       „Korruption“ zu verstehen und ob das strafbar ist. Dazu kommt, dass
       diejenigen, die sich am meisten gegen Anti-Korruptionsgesetze wehren,
       gleichzeitig darüber entscheiden sollen. Das macht die Böcke zu Gärtnern
       der politischen Landschaftspflege.
       
       10 Oct 2012
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__108e.html
   DIR [2] http://www.admin.ch/ch/d/as/2009/5467.pdf
   DIR [3] http://netzpolitik.org/wp-upload/Abgeordnetenkorruption.pdf
   DIR [4] http://www.coe.int/t/dghl/monitoring/greco/evaluations/round3/GrecoRC3(2011)9_Germany_EN.pdf
   DIR [5] http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/067/1606726.pdf
   DIR [6] http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/089/1608979.pdf
   DIR [7] http://www.transparency.de/2012-04-25-Anmahnung-UNCAC-BDI.2088.0.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Burkhard Schröder
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Urheberrecht
   DIR Schwerpunkt Korruption
   DIR Sparkasse
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Korruptionsbericht der Bundesregierung: Keinmal im Jahr drüber reden
       
       Bei der Vermeidung von Korruption gehen deutsche Bundesbehörden nachlässig
       vor. Ausgerechnet das Bundeskanzleramt hinkt hinterher.
       
   DIR Bürgernähe bei der CDU: Die Schwarzwald-Connection
       
       Branntweinhändler erfahren durch einen Brief von Finanzminister Wolfgang
       Schäuble, dass ein Ermittlungsverfahren gegen sie läuft. Kriminologen sind
       entsetzt.
       
   DIR Auf Rechnung der Sparkassen: Sterne-Hotel und Dampferfahrt
       
       Der Kieler Piraten-Fraktionschef empört sich über üppige Einladungen der
       Sparkassen an Politiker. Die Sparkassen finden die Vorwürfe haltlos.
       
   DIR Kommentar Kanzlerkandidat Steinbrück: Ich halte euer Geld zusammen
       
       Auch wenn Linke zetern: Peer Steinbrück ist das Beste, was Rot-Grün
       passieren konnte. Ein klareres Angebot an die Mitte gibt es nicht.
       
   DIR Nebentätigkeit von Abgeordneten: „Das sind schwarze Schafe“
       
       Einige wenige Parlamentarier lassen ihr Mandat schleifen, sagt Gregor
       Hackmack von abgeordnetenwatch.de. Der SPD-Kanzlerkandidat gehört dazu.
       
   DIR Kommentar Steinbrücks Nebeneinkünfte: Guter Marktwert, schlechtes Benehmen
       
       Nicht das Geld besticht den Kandidaten. Steinbrück ist bereits durch seine
       Hybris korrumpiert, durch sein ihm unwiderstehlich erscheinendes Gehabe als
       toller Typ.
       
   DIR Neue EU-Regelungen für Unternehmen: Transparenz gegen Korruption
       
       Zur Korruptionsbekämpfung sollen Unternehmen künftig Zahlungen an
       Regierungen öffentlich machen. Deutschland passen die Pläne aus Brüssel
       nicht.