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       # taz.de -- Afghanistan zu gefährlich: Böll-Stiftung zieht Leiterin ab
       
       > Afghanistan befinde sich auf einem guten Weg – dieses Bild wurde bislang
       > vermittelt. Nun zieht eine politische Stiftung ihre Büroleiterin wegen
       > Gefahr für Leib und Leben ab.
       
   IMG Bild: Doch nicht so sicher wie gedacht.
       
       KABUL/BERLIN dpa | Gut ein Jahr vor dem Abzug der internationalen Truppen
       aus Afghanistan wächst die Sorge vor einer Verschlechterung der
       Sicherheitslage und einer Eskalation der Gewalt. Die Heinrich-Böll-Stiftung
       zieht ihre Büroleiterin aus Kabul zum 1. Januar 2013 ab, weil sie die
       Gefahr für „nicht mehr kalkulierbar“ hält. Das Internationalen Roten Kreuz
       warnt vor einer humanitären Krise in dem Land. Und eine nichtstaatliche
       Beobachtungsorganisation befürchtet den Zusammenbruch der afghanischen
       Regierung.
       
       „Die ohnehin instabile Sicherheitslage in Afghanistan hat sich seit der
       Bekanntgabe des Abzugs der internationalen Truppen bis 2014“, schreibt das
       Vorstandsmitglied der Böll-Stiftung, Barbara Unmüßig, am Montag in einem
       Internet-Statement. Für entsandtes Personal sei sie mittlerweile
       „dramatisch“.
       
       Es gehe um die „Verantwortung für die Sicherheit und körperliche
       Unversehrtheit“ der Mitarbeiter, deren Bewegungsfreiheit ohnehin stark
       eingeschränkt sei. „Unsere Projekte in den Provinzen sind auch für lokales
       Personal meist nicht mehr zugänglich“, schreibt Unmüßig.
       
       Die Büroleiterin Marion Regina Müller, derzeit die einzige deutsche
       Mitarbeiterin in Afghanistan, soll die Arbeit der Stiftung ab 2013 von
       Berlin aus steuern. Die afghanischen Mitarbeiter werden unverändert vor Ort
       ihrer Arbeit nachgehen.
       
       Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) schätzt auch für die
       Bevölkerung die Lage immer schlechter ein. Der scheidende IKRK-Chef in
       Afghanistan, Reto Stocker, macht bei seiner letzten Pressekonferenz in
       Kabul auf das wachsende Leid der Zivilbevölkerung aufmerksam. „Seit ich im
       Jahr 2005 hier ankam, haben sich die lokalen bewaffneten Gruppen stark
       vermehrt, Zivilisten sind nicht nur zwischen einer, sondern mehreren
       Frontlinien gefangen, und medizinische Versorgung bei Krankheit oder
       Verletzung wird zunehmend schwieriger für normale Afghanen.“
       
       Die Ausweitung des Konflikts und eine schlechter werdende Sicherheitslage
       behinderten humanitäre Hilfe vor allem in den Regionen, wo sie dringend
       benötigt werde, sagte Stocker. „Es gibt viele Orte im Land, an denen wir
       sein sollten, aber nicht hingehen können.“
       
       Einer Studie der International Crisis Group (ISG) zufolge wird sich die
       Lage in Zukunft keineswegs bessern. „Es besteht ein reelles Risiko, dass
       die Regierung in Kabul nach dem Abzug der Nato-Truppen 2014 in sich
       zusammenbrechen kann“, erklärte die ISG-Expertin Candace Rondeaux. „Die
       afghanische Armee und Polizei gehen überfordert und unvorbereitet in den
       Übergang“, meinte Rondeaux. Wenn die Wahl 2014 nicht gelinge, drohe ein
       Bürgerkrieg.
       
       Die afghanische Regierung bezeichnete die düsteren Vorhersagen als „Unsinn
       und Müll“. Die Nation sei nicht erst geboren worden, als der Westen das
       Taliban-Regime stürzte und beim Aufbau einer Republik half. „Wir haben auch
       in der Vergangenheit schon gegen Supermächte gekämpft“, zitierte der
       Fernsehsender britische BBC ein Statement. „Unsere nationale Polizei und
       Armee stehen bereit, um die Seele und die Souveränität des Landes zu
       verteidigen.“
       
       8 Oct 2012
       
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