URI: 
       # taz.de -- Handballskandall in Frankreich: Anfänger auf illegalen Pfaden
       
       > Ein halbes Dutzend Handballprofis aus Montpellier steht unter Verdacht,
       > mindestens ein Spiel verschoben zu haben. Ihnen droht ein Prozess.
       
   IMG Bild: Wie die anderen verdächtigten Spieler darf Nikola Karabatic vorläufig weder am Training noch an Meisterschaftsspielen teilnehmen.
       
       Die Handballspieler von Montpellier, gegen die wegen illegaler Wetten und
       eines möglicherweise absichtlich verlorenen Matchs ermittelt wird, hätten
       genauso gut auf die eigene Dummheit und ihren Dilettantismus wetten können,
       meint hämisch die Zeitung Libération. 
       
       Diese „kleinkarierten Anfänger“ seien nämlich bei ihrem plumpen Versuch,
       schnell Geld zu machen, so ungeschickt vorgegangen, dass sie fast
       unvermeidlich im Netz der Aufsichtsbehörde und der Polizei landen mussten.
       Die wirklich großen Betrüger in diesem unüberschaubar gewordenen Geschäft
       mit Sportwetten dagegen seien von ganz anderem Kaliber.
       
       Längst nämlich weiß man, dass in diesem Milieu Mafiaorganisationen ihr
       illegal verdientes Geld weißwaschen, wenn sie nicht sogar Wettkämpfe in
       jeder möglichen Disziplin, von Fußball aller Kategorien über Kricket bis zu
       Billard und Boccia, kaufen und korrumpieren. Unvergessen ist der Skandal
       der gekauften Matchs im italienischen Fußball. Mehr als 60 Spieler von 22
       Mannschaften waren darin verwickelt.
       
       Den sechs Handballern von Montpellier und ihren mitangeklagten Gattinnen
       oder Freundinnen droht ein Prozess wegen Betrugs, und dies für eine
       „Beute“, deren Betrag nicht mehr ausmache als die Ausgaben der Gemahlin von
       PSG-Fußballstar Ibrahimovic an einem einzigen Shoppingnachmittag in Paris,
       spottet Libération. Immerhin soll es sich um 300.000 Euro handeln, die
       ergaunert wurden.
       
       ## Verlust der sportlichen Ehre
       
       Dafür müssen sie im schlimmsten Fall mit einer bedingten Haftstrafe
       rechnen. Weit dramatischer ist für sie der drohende Verlust ihrer
       sportlichen Ehre und ein steiler Absturz in der Volksgunst. Nur ein paar
       Wochen ist es her, da wurden vor allem die beiden Spitzenspieler Nikola und
       Luka Karabatic als Olympiasieger auf den Schultern getragen und als
       Vorbilder gefeiert.
       
       Wie die anderen verdächtigten Spieler darf Nikola Karabatic vorläufig weder
       am Training noch an Meisterschaftsspielen teilnehmen, was ihn zur
       Arbeitslosigkeit verurteilt. Es sei wie ein „Albtraum“ für ihn, hat er
       gesagt. Seinem Anwalt zufolge habe er in der polizeilichen Einvernahme
       unter Tränen beteuert, er habe sein „ganzes Leben dem Handball gewidmet“
       und könne es darum nicht hinnehmen, jetzt wie ein Betrüger behandelt zu
       werden.
       
       Nicht er selber habe gewettet, sondern seine Freundin, er sei aber
       informiert gewesen. Natürlich ist es nicht statthaft, auf die Niederlage
       der eigenen Mannschaft zu setzen. Ob beim Spiel, das Montpellier gegen ein
       vom Abstieg bedrohtes Team (ohne den verletzten Karabatic!) damals prompt
       verlor, gemogelt wurde, bleibt zu belegen.
       
       Nicht mehr zu beweisen ist hingegen, dass in Frankreich die Sportwetten aus
       dem Internet nie einen guten Ruf hatten. Lange waren nur die von der
       staatlichen Lotteriegesellschaft Française des Jeux kontrollierten
       Pferdewetten (PMU) legal. Frankreich hat sich bis vor Kurzem der
       Legalisierung des Glücksspiels mit großen finanziellen Einsätzen
       widersetzt, musste den auf die Marktöffnung pochenden ausländischen
       Wettbörsen wie Bwin und Betclic aber nachgeben.
       
       ## Staatliches Monopol gebrochen
       
       Unter dem Druck der EU wurde das staatliche französische Monopol gebrochen.
       Obwohl beispielsweise in den USA, mit Ausnahme von vier Staaten, ein Gesetz
       seit 1992 alle Wetten auf professionelle und universitäre Basket-,
       Baseball- oder Hockeymatchs untersagt, ist es immer schwieriger, solche
       Verbote durchzusetzen.
       
       Da die Onlinewetten im grenzenlosen Netz stattfinden, war es kaum möglich,
       diese Aktivitäten zu verhindern oder zu kontrollieren, bei denen weltweit
       schätzungsweise 200 Milliarden Euro pro Jahr umgesetzt werden. Allein auf
       die Tennismatchs des Pariser Turniers Roland Garros wurden in diesem Jahr
       mehr als eine halbe Milliarde Euro gesetzt.
       
       Konkurrenz erhalten sie laut der französischen Aufsichtsbehörde ARJEL, die
       nur mehr eine Zuschauerrolle hat, von Onlinepoker und ähnlichen Spielen mit
       Geldeinsatz. „Prohibition hat keinen Sinn“, meint ARJEL-Chef Jean-François
       Vilotte, der anstelle nationaler Gesetze internationale Regeln wünscht.
       Unnachgiebig muss seiner Ansicht nach aber von der nationalen Justiz die
       Korruption von Sportlern und Wettkämpfen bestraft werden.
       
       Die frühere französische Sportministerin Marie-George Buffet, die gegen die
       Legalisierung der Wetten war, meint, auch der Staat könne und müsse auf die
       Einnahmen aus den Wetten, die der Sportförderung dienen, verzichten. Es sei
       ja letztlich unmoralisch, einerseits ethische Regeln für den Sport zu
       verteidigen und andererseits das Geld aus solchen Wetten einzustreichen.
       Sonst werde womöglich Sportlern, die aus Geldsucht bei Wetten voller
       Einfalt ihre eigene Karriere aufs Spiel setzen – wie in Montpellier – auch
       noch ein Alibi geliefert.
       
       5 Oct 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Rudolf Balmer
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA