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       # taz.de -- Streit ums Rentenniveau: Rhetorische Annäherungen
       
       > Der Rentenstreit ist um ein Koalitionspapier und eine Auskunft Peer
       > Steinbrücks reicher. Damit wird wohl erst einmal bloß der Wahlkampf
       > befüttert.
       
   IMG Bild: Sollen ihr Geld nicht in Bubble Tea, sondern in privater Altersvorsorge anlegen: Die Rentner von morgen.
       
       BERLIN taz | Rentenministerin Ursula von der Leyen (CDU) muss weitere
       Kritik aus eigenen Reihen an ihrem Konzept der Zuschussrente einstecken. 14
       eher jüngere Abgeordnete aus CDU und FDP legten unter dem Beifall von
       FDP-Fraktonschef Rainer Brüderle am Dienstag ein Papier vor, in dem sie
       eine Stärkung der privaten und betrieblichen Altersvorsorge fordern.
       
       Die KoalitionspolitikerInnen um den Junge-Unions-Chef Philipp Mißfelder und
       den CDU-Sozialpolitiker Jens Spahn verlangen, dass Rentner, die so wenig
       gesetzliche Rente bekommen, dass sie in die Grundsicherung fallen,
       wenigstens einen Teil ihres privat Ersparten behalten sollen – monatlich
       100 Euro. Die betriebliche und private (meist Riester-)Vorsorge ist bislang
       so konstruiert, dass ausgerechnet Menschen mit Armutsrenten das Ersparte
       „angerechnet“, also abgezogen bekommen. Ihre Anstrengungen waren dann
       umsonst.
       
       In ihrem Papier „Damit private Vorsorge sich lohnt“ konstatieren die
       Jungpolitiker, dass die Rentenreformen der vergangenen Jahre gravierende
       Folgen haben werden, nämlich eine „in 20 oder 30 Jahren drohende
       Altersarmut insbesondere für Menschen mit niedrigem Einkommen“.
       
       ## Das private Rentengeschäft als Zukunft
       
       Den Vorschlag von der Leyens, die deshalb Minirenten aus Beitrags- und
       Steuermitteln aufstocken möchte, finden Mißfelder, Spahn und Co jedoch
       „ungerecht“, da er Teilzeitarbeitende – also Frauen – bevorzuge.
       
       Die Zukunft liegt ihrer Meinung nach weiterhin im privaten Rentengeschäft.
       Ein Freibetrag von 100 Euro führe dazu, dass sich „jedes Jahr und jeder
       Euro der Vorsorge lohnt“. Weiterhin sollten die Zuverdienstmöglichkeiten
       für Rentner verbessert und Altersvorsorgeprodukte verständlicher
       dargestellt werden.
       
       Die Debatte um mögliche Rentenreformen ist damit um ein Papier reicher.
       Welchen Einfluss es auf die Regierungspolitik bis zur Bundestagswahl im
       September 2013 noch haben wird, ist ungewiss. Von der Leyen hat bereits
       signalisiert, dass sie angesichts des seit zwei Monaten anhaltenden Streits
       innerhalb der Koalition mit keiner großen Reform mehr rechnet.
       
       Die Unions-Führung dürfte mit umso größerer Aufmerksamkeit den bei der SPD
       ebenfalls anhaltenden Rentendisput beobachten, da in beiden Volksparteien
       eine große Koalition ab 2013 für sehr wahrscheinlich gehalten wird.
       
       ## Kaputte Knochen schonen
       
       Der frisch gekürte SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück erklärte am
       Montagabend im Fernsehen, welchen Akzent er in der Sache zu setzen gedenkt:
       Um der Demografie willen müsse man zwar an der Rente mit 67 festhalten.
       Diejenigen aber, „die kaputte Knochen haben und auch sonst ausgebrannt
       sind“ müssten die Möglichkeit bekommen, vorzeitig – und ohne große
       Abstriche – aus dem Erwerbsleben auszuscheiden. Steinbrück will demnach vor
       allem die Erwerbsminderungsrente aufpolstern, die zuletzt auf ein
       Mindestmaß eingedampft wurde.
       
       Der andere große Streitpunkt bei der SPD ist das Niveau, das die Rente im
       Verhältnis zum Durchschnitts-Nettoverdienst haben soll. Hier behauptete
       Steinbrück nun plötzlich, die von Rot-Grün 2004 gesetzlich festgelegten 43
       Prozent seien „nie eine Zielmarke gewesen“, sondern eher das, was nie
       erreicht werden sollte.
       
       Dies klang wie ein Entgegenkommen gegenüber den Parteilinken in der SPD,
       die sich eine Festlegung auf den aktuellen 50-Prozentwert wünschen. Es
       klang aber auch wie ein rein rhetorisches Entgegenkommen.
       
       2 Oct 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ulrike Winkelmann
       
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