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       # taz.de -- Korruption in Österreich: „System Haider in Kärnten“
       
       > Mehrjährige Haftstrafen für einige österreichische Politiker: Sie waren
       > in den Korruptionsskandal um die Hypo Alpe Adria Bank verwickelt.
       
   IMG Bild: Der Ex-ÖVP-Politiker Josef Martinz soll für fünfeinhalb Jahre ins Gefängnis.
       
       WIEN taz | Fünfeinhalb Jahre Haft für Ex-ÖVP-Kärnten-Chef Josef Martinz.
       Dieses Montagabend im Klagenfurter Landesgericht gefällte Urteil
       überraschte in seinem Ausmaß nicht nur den Angeklagten, der entrüstet
       „Politjustiz“ ortete. Auch Strafrechtsexperten hätten mildere Strafen
       erwartet.
       
       Der Schöffensenat befand den ehemaligen Spitzenpolitiker für schuldig,
       öffentliche Gelder in die Parteikasse umgeleitet zu haben. In der
       Urteilsbegründung machte Richter Manfred Herrnhofer aber auch das „System
       Haider in Kärnten“ verantwortlich.
       
       Mit geringeren Haftstrafen von zwei bis drei Jahren kamen die drei
       Mitangeklagen davon. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig, da die
       Verurteilten in Berufung gehen können.
       
       Nachgewiesen ist lediglich die Übergabe von 65.000 Euro an Martinz: in
       einem diskreten Kuvert während der Rotary-Weihnachtsfeier 2008. Das Geld
       stammte aus einem Honorar von sechs Millionen Euro, das Martinz'
       Steuerberater Dietrich Birnbacher für ein Gutachten zum Verkauf der
       Kärntner Hypo Alpe Adria Bank an die Bayern LB bekommen hatte.
       
       Manche Experten meinen, das achtseitige Gutachten wäre überhaupt
       entbehrlich gewesen. Der deutsche Gutachter Frank Schäfer hält es zumindest
       für 30fach überbezahlt.
       
       Unter dem Druck der Indizien hatte Birnbacher während des Prozesses
       gestanden, Jörg Haider und Martinz hätten ihm das Honorar aufgedrängt. Der
       Deal sei gewesen, die Summe nach Steuern zu dritteln: je ein Anteil für die
       ÖVP von Martinz, für Haiders BZÖ und für Birnbacher, der hohe Schulden
       hatte.
       
       Nach dem Unfalltod Haiders vor vier Jahren habe Birnbacher dann den
       Löwenanteil für sich behalten. Haider-Nachfolger Uwe Scheuch und
       BZÖ-Kassier Harald Dobernig hätten aber eine halbe Million eingefordert.
       
       Für dieses Geständnis wurden Birnbacher mildernde Umstände angerechnet. Er
       muss nur für ein Jahr in Haft, zwei weitere werden auf Bewährung
       ausgesetzt.
       
       Gezahlt wurde das Honorar von der Kärntner Landesholding, der die Bank
       gehörte. Deren Vorstände agierten auf Zuruf Haiders, wie während des
       Strafverfahrens einmal mehr deutlich wurde.
       
       ## Haider allein war es nicht
       
       Trotzdem wurden die Vorstandsmitglieder Hans-Jörg Megymorez und Gert Xander
       zu drei bzw. zwei Jahren Haft verurteilt. Ganz allein habe Haider auch
       nicht über die Kassen der Hypo verfügen können, urteilte der Richter.
       
       Haider kann man nicht mehr zur Verantwortung ziehen. Seine politischen
       Erben, die das Kärntner BZÖ inzwischen in Freiheitliche in Kärnten (FPK)
       umgetauft und in eine CDU-CSU-Allianz mit der FPÖ geführt haben, bestreiten
       Birnbachers Aussagen vehement.
       
       Richter Herrnhofer hat aber schon angedeutet, dass nach den Urteilen vom
       Montag auch gegen Scheuch und Dobernig ein Verfahren eröffnet wird.
       FPK-Chef Kurt Scheuch, der vor kurzem seinem in erster Instanz wegen
       Amtsmißbrauchs verurteilten Bruder Uwe nachfolgte, sieht die Affaire als
       reinen ÖVP-Skandal und wirft den Medien vor, seine Partei zu
       kriminalisieren.
       
       ## Möglichst unter der Decke halten
       
       Und in der Bundes-ÖVP will man weder an nachhaltigen Schaden glauben, noch
       die jahrelange politische Komplizenschaft mit Haider aufarbeiten.
       Parteichef und Vizekanzler Michael Spindelegger: „Für uns ist der Fall
       Martinz abgeschlossen. Er ist nicht mehr ÖVP-Mitglied“.
       
       Weder Politik noch Justiz hatten sich lange Zeit an der Aufklärung der
       unter Haider offenbar kultivierten Korruption interessiert gezeigt. Zweimal
       archivierte die Staatsanwaltschaft Anzeigen gegen Birnbacher und Martinz.
       
       Dabei wäre es ohne die Beharrlichkeit des Grünen Rolf Holub auch geblieben.
       Er brachte den Prozess durch eine dritte Anzeige bei der
       Korruptionsstaatsanwaltschaft ins Rollen.
       
       Nach dem Urteil zeigt er sich zwar befriedigt, doch fordert er langen Atem
       ein: „das wird alles noch über zehn Jahre dauern, bis das alles aufgeklärt
       ist“.
       
       2 Oct 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ralf Leonhard
       
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