URI: 
       # taz.de -- Energiewende in Bayern: Viel Wind mit wenig Kraft
       
       > Bayern droht beim Ausbau der erneuerbaren Energien mit einem Sonderweg.
       > Man will besser, schneller und freigiebiger sein als die anderen Länder.
       
   IMG Bild: Holzkirchen (Unterfranken) nimmt die Energiewende erkennbar ernst.
       
       MÜNCHEN taz | Bayern lässt sich die Energiewende etwas kosten.
       Umweltminister Marcel Huber (CSU) hat ein neues Programm aufgelegt: 6
       Millionen Euro stellt sein Ministerium bereit, um bayerische Gemeinden beim
       Ausbau regenerativer Energien zu unterstützen.
       
       Das Geld soll vor allem über die oft langwierigen und teuren Planungsphasen
       beim regionalen Anlagenbau hinweghelfen. In den kommenden fünf Jahren will
       die Staatsregierung eine Milliarde Euro in Klimaschutz und grüne Energie
       investieren.
       
       Das passt zu ihrer vollmundigen Ankündigung, die Energiewende besonders
       rasch zu vollziehen. Im Mai 2011, zwei Monate nach der Katastrophe von
       Fukushima, erklärten christsoziale Spitzenvertreter, die zuvor die
       Atompolitik über Jahrzehnte verteidigt hatten, dass das letzte bayerische
       Atomkraftwerk bis 2022 vom Netz gehen soll.
       
       Im selben Atemzug präsentierten Umwelt- und Wirtschaftsministerium das
       Konzept „Energie innovativ“. Bis 2021 will Bayern die Hälfte seines
       Stromverbrauchs regenerativ erzeugen. Der Bund hat sich dafür erst das Jahr
       2030 zum Ziel gesetzt.
       
       ## Mehr Geld aus den Umlagen
       
       2021 sei zu schaffen, sagt Martin Betzold von Green City Energy, einem
       Münchner Unternehmen, das Kommunen bei Ökostromprojekten mit
       Bürgerbeteiligung berät. „Aber die Politik muss die richtigen
       Rahmenbedingungen schaffen.“ Bereits jetzt produziert Bayern laut
       Umweltministerium knapp 30 Prozent des Stroms regenerativ. Bundesweit sind
       es rund 20 Prozent.
       
       Ein Drittel der deutschen Photovoltaik- und zwei Drittel der
       Wasserkraftleistung sind in Bayern installiert. Das zahlt sich aus: Weil
       sie so viel Ökostrom in die Netze einspeisen, erhalten bayerische
       Produzenten mehr Geld aus der EEG-Umlage, als die Stromkunden bezahlen.
       
       Während das Potenzial bei der Wasserkraft weitgehend ausgeschöpft ist,
       ließe sich die Solarstromproduktion noch steigern. 16 Prozent
       Solarstromanteil sieht die Staatsregierung bis 2021 vor. Energieexperte
       Betzold hat Zweifel: Weil die Solarförderung vom Bund gekürzt wurde,
       erwartet er einen Einbruch. „Die bayerische Staatsregierung hat diese
       Politik in Berlin mitgetragen, obwohl sie den bayerischen Interessen ganz
       klar widerspricht“, kritisiert er.
       
       ## Seehofers Augenwischerei
       
       Das liege am Einfluss großer Energiekonzerne, die nicht an einer dezentral
       und regional gestalteten Energiewende, wie sie die bayerischen Bürger
       betrieben, interessiert seien. Die Drohung von Ministerpräsident Horst
       Seehofer, staatliche „Bayernwerke“ zu gründen, hält Betzold für
       Augenwischerei. „Seehofer und Konsorten reden zwar grün, arbeiten aber
       weiter schwarz-gelb.“
       
       Auch in anderen Bereichen gibt es Schwachstellen: Bei der Windkraft hinkt
       Bayern anderen Ländern hinterher. Von den 1.500 Anlagen, die notwendig
       sind, um 2021 wie geplant 6 bis 10 Prozent des bayerischen Stromverbrauchs
       zu decken, wurden 2011 nur 75 gebaut. Auch an Möglichkeiten, die
       regenerativ gewonnene Energie dort zu speichern, wo sie entsteht, mangelt
       es. Hier hat der Freistaat jedoch zusätzliche Forschungsmittel
       bereitgestellt.
       
       Offen ist aber, wie etwaige Schwankungen und Versorgungslücken ausgeglichen
       werden sollen – und damit, ob sich die Ziele überhaupt verwirklichen
       lassen. Das Konzept „Energie innovativ“ listet fünf Standorte für neue
       Gaskraftwerke auf. Aber nur eines gilt in den nächsten zehn Jahren als
       realisierbar. Es fehlt an Investoren.
       
       23 Sep 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Marlene Halser
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR CSU-Parteitag: Ein König und vier Thronfolger
       
       Auf dem CSU-Parteitag kündigt Parteichef Horst Seehofer seinen Rückzug an.
       Die Nachfolge will er selbstredend selber regeln. Ex-Minister zu Guttenberg
       ist dafür kein Kandidat.
       
   DIR Energiewende in den Unternehmen: Dialog statt Effizienzpflicht
       
       Die Regierung stellt in Berlin die „Mittelstandsinitiative Energiewende“
       vor. Konkrete Sparvorgaben sind dabei Mangelware. Es nur beraten werden.
       
   DIR Regierungsinitiative zur Energiewende: Der Mittelstand soll grüner werden
       
       Die Regierung will mittelständischen Betrieben beim Umsetzen der
       Enrgiewende helfen. Experten sollen die Unternehmen beraten und Lösungen
       anbieten.
       
   DIR Solarpionier Günther Cramer: Weltmarktführer ausgezeichnet
       
       Mit dem Bau von Wechselrichtern ging Günther Cramer in der Solarindustrie
       voran. Dafür erhielt er nun den Deutschen Umweltpreis.
       
   DIR Biogas und Solarstrom: Unter Nigerias Sonne
       
       Sonne gibt es mehr als genug, wie auch ganz andere Ideen – zwei Nigerianer
       suchen nach Alternativen bei der Stromerzeugung.
       
   DIR FDP-Arbeitspapier zum Ökostrom: Taktieren vor dem Tag X
       
       Angesichts steigender Kosten drohen die Liberalen mit Einschnitten in die
       Grünstrom-Förderung. Sie locken den Verbraucher mit Steuersenkungen.
       
   DIR Länder kritisieren Altmaier: Widerstand gegen Windbremse
       
       Die Bundesländer planen einen stärkeren Ausbau der Windenergie als es die
       Bundesregierung für sinnvoll hält. Altmaier will sie jetzt runterhandeln.
       
   DIR Reaktion auf Kritik am EEG: Umweltverbände keilen zurück
       
       Nabu und der Deutsche Naturschutzring kritisieren die Angriffe auf das
       Erneuerbare-Energien-Gesetz. Doch eigene Reformvorschläge fehlen.
       
   DIR Finanzierung der Energiewende: Munition gegen Windmühlen
       
       Die FDP schlägt ein Moratorium für erneuerbare Energien vor. Und fordert
       eine neue Sonderabgabe der Branche für den Netzausbau.