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       # taz.de -- Kolumne Darum: Cola statt Hund
       
       > Schule, Sexualität, Taschengeld, Rivalität, Spiele, Triumphe und
       > Niederlagen. Warum Eltern automatische Updates für ihre Gehirne brauchen.
       
   IMG Bild: Der Sohn will sein kompliziertes Fußball-Sammelbildchensystem ändern und bittet um Rat. Und nun?
       
       Wie einfach es IT-Geräte doch haben. Der Tablet-Computer zieht sich mal
       eben ein Update, das Smartphone bekommt ein paar neue Apps, der Browser
       holt sich ein Add-on – und schon können Prozesse in Gang gesetzt werden,
       die vorher nicht möglich waren.
       
       Die Tochter kommt rein und erzählt von komplexen Differenzen in ihrer Peer
       Group. Ohne es auszusprechen, fordert sie Unterstützung. Der Sohn will sein
       kompliziertes Fußball-Sammelbildchensystem ändern und bittet um Rat. Wo
       kann ich drücken, um jetzt schnell ein Update zu erhalten, eine Erweiterung
       zumindest oder wenigstens ein zusätzliches Miniprogramm?
       
       Schule, Sexualität, Taschengeld, Freund- und Feindschaft, Rivalität und
       Individualismus unter Geschwistern, Spiele, Triumphe und Niederlagen,
       Geheimnisse, die dann doch geteilt werden müssen, Offenheit, die dann doch
       zu weit geht, und vieles mehr: Automatische Updates für Elterngehirne wären
       prima. Wir wären gewappnet gegen all das, was da täglich neu und meist
       überraschend auf uns einstürmt, und könnten sofort Antworten geben, die
       souverän klingen oder hilfreich sind oder jedenfalls anders sind als das
       bisherige Gestammel.
       
       „Wenn ich schon keinen Hund bekomme, kann ich dann von meinem Taschengeld
       Cola kaufen?“ Solch typische Kombifragen machen uns fertig. Denn beim
       Versuch, die eine zu beantworten, ohne auf die andere einzugehen,
       verheddern wir uns ja doch nur in einem Gestrüpp an Vorwürfen und
       Folgefragen.
       
       Einfach zu sagen: „Ja, du kannst dir von deinem Geld Cola kaufen“ geht aber
       nicht, weil damit die implizite Frage „Darf ich die Cola dann auch trinken,
       wann ich will?“ ebenso unbeantwortet bleibt wie jene späteren nach dem
       Grund, warum man plötzlich nicht einschlafen kann, und ob es nicht gut
       wäre, jetzt, da das Einschlafen unmöglich ist, einen kleinen Hund zum
       Kuscheln zu haben.
       
       Wir stammeln also ständig rum auf der Suche nach verbindlichen und
       gleichzeitig vagen Antworten auf gestellte und ungestellte Fragen, und
       dieses Gestammel bringt niemandem einen Gewinn: uns Eltern nicht, den
       Kindern nicht, den Cola-Herstellern und Zoohandlungen zum Glück auch nicht.
       
       Wir wundern uns dabei, dass nicht viel mehr Fragen dieser Art kommen. Auch
       darauf muss es eine Antwort geben. Wir (oder andere: Kita-Erzieher, Lehrer,
       Großeltern, Kinder) haben uns diesen Fragen schon gestellt. Irgendwann und
       irgendwo haben wir die Kraft und Konzentration aufgebracht, einige Fragen
       tatsächlich erschöpfend zu beantworten.
       
       Das Update-System hat also mal funktioniert, das ist gut zu wissen. Dann
       muss es sich auch reaktivieren lassen. Wo ist denn gleich … „Papa? Ich hab
       mich freiwillig für ein Referat über Photosynthese gemeldet. Kannst du mir
       helfen?“ „Photosynthese? Ich habe Bio abgewählt, sobald es möglich war. Ich
       kann dir da nicht …“ – „Papa, wie hieß noch gleich der erste
       Auswechselspieler, der beim Viertelfinale der WM 2010 für Argentinien aufs
       Feld kam?“ – „2010? Da muss ich selbst nachschauen.“ – „Jetzt?“ – „Ja,
       nein, geht nicht, schau mal.“ – „Was ist das für ein Symbol da auf dem
       Computer?“ – „Der macht gerade ein Systemupdate.“
       
       23 Sep 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Maik Söhler
       
       ## TAGS
       
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