URI: 
       # taz.de -- Der HSV nach dem ersten Saisonsieg: Im Windschatten der Rafamania
       
       > Der Hamburger SV schlägt Meister Dortmund zu seiner eigenen Überraschung
       > mit 3:2. Dank dem Ehepaar van der Vaart schöpft man nun wieder
       > Zuversicht.
       
   IMG Bild: Hebt das Hamburger Team auf ein anderes Level: Rafael van der Vaart mit Teamkollege Ivo Ilicevic.
       
       HAMBURG taz | Der HSV lebt. Das ist eine Nachricht. Zum einen, weil der
       Verein in diesen Tagen immerhin schon seinen 125. Geburtstag mit einer
       großen Gala begeht. Zum anderen, weil er auf den Einladungskarten für diese
       Festivität die Jahreszahlen „1887 - 2012“ so angeordnet hat, als stünden
       sie auf einem Grabstein.
       
       Und natürlich, weil die Fußball-Bundesligamannschaft des altehrwürdigen
       Vereins den Saisonauftakt in einer Weise bestritten hat, als sei es ihre
       Aufgabe, diese Endzeit-Prophezeihung sportlich in die Wirklichkeit
       umzusetzen – mit null Punkten aus drei Spielen gegen Gegner, die man vor
       der Saison unter die Rubrik „schlagbar“ einsortiert hätte.
       
       Und dann kommt Borussia Dortmund. Als HSV-Trainer Thorsten Fink ein paar
       Tage vorher fantasierte, vielleicht könne man „dem Meister ein Bein
       stellen“, klang es nach Pfeifen im Walde. Nachdem die Borussia tatsächlich
       in Hamburg gestolpert war, ging es nur noch um die Frage, wer denn nun das
       Bein gestellt habe: Die Hamburger, oder die Dortmunder sich selbst. Zu
       letzterer Interpretation neigte Borussia-Verteidiger Mats Hummels, der
       sagte: „Ganz klar, eigenes Verschulden, denke ich.“
       
       Damit mag er etwa die zweite Minute meinen, in der der HSV sein erstes
       Lebenszeichen abgibt: Rafael van der Vaart flankt unbedrängt und präzise,
       Heung-Min Son köpft das 1:0, Hummels steht daneben. Aufbauhilfe für einen
       HSV, dem Viele nach drei Auftaktniederlagen schon die
       Bundesligatauglichkeit absprachen.
       
       ## „Den Gegner kaputtrennen“
       
       Plötzlich treten die Hamburger dem Meister mutig entgegen, erzwingen
       Ballverluste, stören die Dortmunder Angriffsmaschinerie. „Wir wollten den
       Gegner kaputtrennen“, sagt Tolgay Arslan später. Auch weil Dortmund in der
       Woche ein kräftezehrendes Champions-League-Spiel absolviert hatte. „Da
       hatten wir die Hoffnung, dass wir sie auf dem falschen Fuß erwischen
       können“, ordnete Fink den Erfolg ein.
       
       Die Überraschung des Tages ist, dass der HSV nicht einbricht: Weder, als
       der beste Dortmunder Ivan Perisic nur 30 Sekunden nach der Pause
       ausgleicht, noch als derselbe Mann mitten in den Jubel über Sons zweites
       Tor erneut zum 2:3 trifft. In der Dortmunder Schlussoffensive mit Julian
       Schieber statt des glücklosen Marco Reus macht HSV-Torwart René Adler
       allein in der letzten halben Stunde fünf gute Dortmunder Chancen zunichte.
       Schon bei den drei Auftaktniederlagen hatte der Ex-Nationaltorhüter, der zu
       Saisonbeginn aus Leverkusen kam, den HSV vor einem Debakel bewahrt.
       
       Allmählich bekommt man eine Ahnung davon, dass die Transferpolitik des HSV
       funktionieren könnte – auch dank der Panikkäufe in den letzten Tagen der
       Transferfrist, die der frühere HSV- und heutige Frankfurt-Manager Heribert
       Bruchagen in der vergangenen Woche heftig kritisiert hatte, weil sie auf
       Pump geschehen sind. „Es für uns nicht so schön, wenn ein Verein in drei
       Tagen so viel Geld in die Hand nimmt, wie wir in einem ganzen Jahr“, hatte
       Bruchhagen gesagt.
       
       ## Viel Druck abgefallen
       
       Gemeint war vor allem der Transfer des zum HSV zurückgekehrten Rafael van
       der Vaart, der jetzt für die Überraschungsmomente im HSV-Spiel sorgt, gegen
       Dortmund zwei Tore auflegte. Vor allem hat der Niederländer aber eine
       psychologische Funktion: In Hamburg ist eine regelrechte „Rafamania“ um den
       verlorenen Sohn ausgebrochen, den der Milliardär Klaus-Michael-Kühne bei
       seinem Lieblingsclub HSV durchgesetzt und auch erst mal vorfinanziert hat.
       Im Windschatten des Star-Spielers ist von allen anderen im Team offenbar
       eine Menge Druck abgefallen.
       
       In Hamburg ist es eine Nachricht, dass Sylvie van der Vaart an der HSV-Gala
       zum 125. teilnehmen wird. Sylvie van der Vaart ist Model, Moderatorin – und
       Fußballergattin. Fast könnte man meinen, der HSV hätte 13 Millionen Euro
       Ablösesumme für eine Spielerfrau ausgegeben – und das Glück gehabt, noch
       einen guten Fußballer obendrauf zu bekommen.
       
       Das Jubiläum kann nun jedenfalls über die Bühne gehen, auch dafür war der
       3:2 Sieg gegen Dortmund wichtig: „Stellen Sie sich mal vor“, sagte Trainer
       Fink, „wir wären mit null Punkten in die Gala gegangen!“
       
       23 Sep 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jan Kahlcke
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Fußball-Bundesliga Sonntagsspiele: Stillstand an der Weser
       
       Stuttgart kann in Bremen dank starker zweiter Halbzeit noch einen Punkt
       gewinnen. Hoffenheim stoppt gegen Hannover seine Niederlagenserie.
       
   DIR Bundesliga: Magaths Teeglas ist noch halb voll
       
       Der VfL Wolfsburg holt gegen Greuther Fürth ein eher glückliches 1:1 - zu
       wenig für die Ambitionen der VW-Tochterfirma. Aber Trainer und
       Geschäftsführer Felix Magath nimmts gelassen.
       
   DIR Bundesligist Eintracht Frankfurt: Pragmatiker im Jungbrunnen
       
       In Frankfurt macht Trainer Armin Veh aus wenig viel. Beim Hamburger SV
       läuft es umgekehrt. Am Sonntag spielen die beiden Teams gegeneinander.
       
   DIR HSV-"Wohltäter": Der Sportdirektor und der Strippenzieher
       
       HSV-Sportdirektor Frank Arnesen tut sich schwer, geeignete Spieler für
       seine Mannschaft zu verpflichten. Der Unternehmer Klaus-Michael Kühne als
       Geldgeber macht die Sache nicht einfacher.
       
   DIR Schwacher Auftakt: Zu wenig Klasse
       
       Der Hamburger SV muss seine Mannschaft verstärken, wenn er in der
       Fußball-Bundesliga bestehen will. Das zeigte sich bei der
       0:1-Heimniederlage zum Ligaauftakt gegen den ebenfalls schwachen 1. FC
       Nürnberg.