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       # taz.de -- Kolumne Kulturbeutel: Für eine Tasche voller Geld
       
       > Die Manipulationsskandale im Profifußball häufen sich weltweit. Die
       > Torhüter sind verhext, die Reisetasche prall gefüllt – ein
       > Verbrechersyndikat ist das.
       
   IMG Bild: Abseitstor: Kingson atmet auf.
       
       Er hat nicht beschissen. Ahmad Sharbinee Allawee, der Torwart des
       malaysischen Erstligisten Kuala Terrenganu Turtles, wurde vom Vorwurf der
       Spielmanipulation freigesprochen. Man glaubte den Unschuldsbeteuerungen des
       Spielers, den die Untersuchungskommission der Malaysischen
       Anti-Korruptions-Agentur an einen Lügendetektor angeschlossen hatte.
       
       Vor zwei Wochen hatte Allawee im Spiel gegen Kedah FA eine Ecke ins eigene
       Tor geboxt, woraufhin ihn sein englischer Trainer Peter Butler umgehend
       ausgewechselt hat. Danach hat der Coach seinen Spieler bis zum
       Kabineneingang geschubst und sich entsetzt gezeigt. „Ich kann es nicht
       leiden, mit solchen Leute zusammenzuarbeiten“, sagte er. Nun wird ihm wohl
       nichts anderes übrig bleiben, als sich bei seinem Torwart zu entschuldigen.
       
       Lee Kyung-Hwan kann keiner mehr um Entschuldigung bitten. Der ehemalige
       Mittelfeldspieler von Daejeon Citizen hat sich im April vom Dach eines
       15-stöckigen Gebäudes in der Nähe seines Wohnhauses in Incheon gestürzt. Im
       August 2011 war er lebenslang gesperrt worden, weil ihm nachgewiesen worden
       war, dass er in mehreren Spielen der koreanischen K-League absichtlich
       schlecht gespielt hatte.
       
       ## Tod statt Tor
       
       Lee ist nicht der erste Spieler, der sich nach Bekanntwerden des großen
       Manipulationsskandals in der Liga im Jahre 2011, in den insgesamt 40 Profis
       verwickelt waren, das Leben genommen hat. Yoon Ki-Won, der ehemalige
       Torwart von Incheon United, war im Mai 2011 tot in seinem Wagen gefunden
       worden. Er soll so manchen Ball absichtlich nicht gehalten haben.
       
       Das hat Richard Kingson bislang niemand vorgeworfen. Auch der langjährige
       Nationaltorwart Ghanas soll in Versuchung geführt worden sein. Während der
       WM 2006 habe ihm jemand für ein paar schlechte Paraden gegen Tschechien
       300.000 Dollar angeboten. Er habe das Angebot gegen die Siegprämie von
       3.000 Dollar abgewogen und erst seine Frau Adelaide habe ihn davon
       abgehalten, das unmoralische Angebot anzunehmen.
       
       Eine gute Frau, wie Kingson kürzlich noch einmal klargestellt hat –
       jedenfalls keine Hexe. Als solche hatte sie sich selbst bezeichnet und in
       einem Fernsehinterview gesagt, sie habe ihren Mann verhext und deshalb
       finde er keinen neuen Klub. An das Interview, sagte sie nun, könne sie sich
       gar nicht mehr erinnern. Alles also wieder gut bei den Kingsons?
       
       ## Ein grausamer Sport
       
       Derweil macht sich der kanadische Fußballverband Sorgen, dass er total
       verseucht ist. Ein Verbrecherkonsortium hatte leichtes Spiel, als es im
       Herbst 2009 ein Spiel in einer drittklassigen Regionalliga manipuliert hat.
       15.000 Euro Bestechungsgelder seien an die Halbprofis von Toronto Croatia
       geflossen. Wie es rauskam? Die Bochumer Staatsanwaltschaft hat es
       ermittelt. Die Verbrechen der Spieleverschieber Ante Sapina und Marijo
       Cvrtak werfen ihre Schatten längst bis nach Kanada.
       
       Über 15.000 Euro hätte ein Kevin King indes nur gelacht. Der englische
       Nationalspieler wurde fotografiert, als er nach der Niederlage seines Klubs
       im Champions-League-Finale 2011 gegen Schalke 04 eine Reisetasche, gut
       gefüllt mit Euronoten, aus dem Kofferraum seiner Edelkarosse holte. Das
       schien nur allzu gut zu der Szene in der zweiten Hälfte des Spiels zu
       passen, in der King mit dem Ball allein vor dem Tor der Schalker stand und
       so lange zögerte, bis der Ball wieder weg war.
       
       Der Spieler musste sich vor der wütenden Masse der Fans in seinem Land
       verstecken und heuerte in einer Operettenliga irgendwo im Kaukasus an, in
       der er die alltägliche Manipulation bekämpft hat, indem er bestechliche
       Spieler und bestechende Oligarchen umgebracht hat.
       
       Alles nur gelogen? Ausgedacht ist nur die Geschichte von Kevin King. Sie
       steht in C. M. Taylors Splatter-Satire „Euro-Psycho“ (Heyne Hardcore), in
       der man auch erfährt, dass das Geräusch eines Messers beim Herausziehen aus
       einem Auge spektakulärer ist, als der beim Hineinstechen entstehende Laut.
       Grausamer Sport.
       
       20 Sep 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Rüttenauer
       
       ## TAGS
       
   DIR Babak Rafati
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   DIR Kurzfilm
       
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