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       # taz.de -- Buch zu „Juden und Popkultur“: Hippe Juden
       
       > Der Kulturwissenschaftler Caspar Battegay denkt über „Judentum und
       > Popkultur“ nach. Und er erklärt, was der chinesische Imbiss damit zu tun
       > hat.
       
   IMG Bild: Mit jüdischen Stars wie Sarah Silverman wird deutlich, wie jüdische Kultur mehr sein kann als festgefahrene Text- und Bilderwelten.
       
       In einer Folge der US-Comedy-Serie „The Nanny“ bestellt das jüdische
       Kindermädchen Fran Fein seinen Pflegekindern im New Yorker Stadtbezirk
       Queens das Dinner bei einem chinesischen Take-away, damit diese mal
       erfahren, wie richtiges jüdisches Essen schmeckt.
       
       „Ohne Ambivalenz, ohne das Spiel damit kann es wohl keine Identität geben“,
       schreibt der Schweizer Autor Caspar Battegay im Epilog zu seinem Buch
       „Judentum und Popkultur. Ein Essay“. Nur: Vor dem Spielerischen sind
       gewaltige Klippen zu umschiffen. Denn die Motivation zum Schreiben des
       Buches war dem Vergnügen am guten, sauberen Spaß erst in zweiter Linie
       geschuldet.
       
       Zunächst stand da vor allem ein „Unbehagen“, wie Battegay es formuliert,
       darüber, wie jüdische Studien in Deutschland gebannt blieben „von
       Massenmord und Vertreibung“, was zu einem „sakralisierenden, stereotypen
       oder historisierenden Umgang“ mit ihnen führe.
       
       Battegay stuft die Ästhetisierung von jüdischer Kultur im deutschsprachigen
       Raum als verstaubt ein. Wahrnehmungen des Judentums blieben meist auf den
       Opferstatus und den Nahostkonflikt beschränkt. Diese einseitige Perspektive
       gelte es zu durchbrechen. „Judentum erscheint nicht mehr wie im Lauf seiner
       mehrtausendjährigen Geschichte als die paradigmatische Minderheit, sondern
       als Teil einer Gesellschaft, die nur aus Minderheiten besteht.“
       
       ## Pop als Folie
       
       Und also richtet Battegay den Blicke auf hippe Juden, schildert Szenen wie
       die eingangs erwähnte, erläutert anhand ausgesuchter Figuren, wie Lenny
       Bruce, Leonard Cohen oder Sarah Silverman, dass jüdische Kultur eben nicht
       zu festgefahrenen Text- und Bilderwelten führt.
       
       Pop liefert dem Autor, der als Assistent am Zentrum für jüdische Studien
       der Universität Basel arbeitet, dafür die Folie. Und er zitiert den
       Münchner Schriftsteller Andreas Neumeister und dessen Diktum: „Im Idealfall
       ist Pop populär und subversiv.“ Gerade in dieser idealisierten
       Gleichsetzung offenbart Battegays Buch die größten Schwächen, denn jüdische
       Popkultur ließe sich genauso in einen Mainstream und einen Underground
       einteilen. Er zitiert zwar Steven Lee Beebers bahnbrechendes Buch über die
       jüdischen Punks im New York der siebziger Jahre, aber er weiß mit ihren
       Tabubrüchen beim Thematisieren der Schoah nichts anzufangen.
       
       Trotzdem ist „Judentum und Popkultur“ ein wichtiges Buch, das Lücken
       schließt und Wahrnehmung schärfen hilft. Was das alles mit chinesischem
       Essen zu tun hat? Für Battegay ist jüdische Kultur glaubwürdig, wenn sie
       „intern kohärent“ ist, und nicht etwa, wenn sie in Bezug zur eigenen
       Tradition steht.
       
       20 Sep 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Julian Weber
   DIR Julian Weber
       
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