# taz.de -- Nazi mit Kontakt zum Verfassungsschutz: V-Mann „Corelli“ und der NSU
> Ein Nazi mit Verbindungen zum NSU war jahrelang Spitzel des
> Verfassungsschutzes. Thomas R. lieferte auch Informationen aus dem
> Ku-Klux-Klan.
IMG Bild: „Nationaler Demonstrationsbeobachter“: V-Mann „Corelli“.
BERLIN taz | Ob man [1][in der neuen Rechtsextremismus-Datei] erkennen
könne, ob jemand V-Mann ist, will eine Journalistin wissen. Die Antwort von
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) ist eindeutig: „Wir haben
eine Verpflichtung gegenüber diesen Leuten“, sagte er. Es sei „ein eiserner
Grundsatz, dass Klarnamen aus Sicherheitsgründen nicht genannt werden“.
Deshalb schweigen Bundesinnenministerium und Verfassungsschutz auch zu
Thomas R., einem weiteren V-Mann aus dem Umfeld des NSU. Wie taz-Recherchen
jetzt ergeben haben, stand die Neonazigröße aus Sachsen-Anhalt jahrelang in
Diensten des Bundesamtes für Verfassungsschutz. R. wurde mindestens von
1997 bis 2007 als Quelle geführt. Deckname: „Corelli“.
R.s Verbindung zu Uwe Mundlos reicht in die 1990er Jahre zurück. Seine
Kontaktdaten finden sich auf einer Adressliste, die die Ermittler 1998 nach
dem Abtauchen der drei Jenaer Neonazis sicherstellten. Auf dieser Liste
tauchen viele der mutmaßlichen NSU-Helfer auf, etwa Ralf Wohlleben, der
seit Monaten in Untersuchungshaft sitzt. Er soll zu neun der zehn Morde
Beihilfe geleistet haben.
Thomas R. – Spitzname „HJ Tommy“ – war um die Jahrtausendwende einer der
führenden Neonazis Sachsen-Anhalts. In einem internen Bericht des
Bundeskriminalamts über „Rechtsextremistische Kameradschaften“ wurde er als
Einziger aus dem Bundesland namentlich genannt und als „Namengeber und
Initiator“ des „Nationalen Widerstands Halle/Saale“ bezeichnet.
## Blood & Honour und der Ku-Klux-Klan
Unter dessen Dach war auch die regionale Sektion des militanten
Neonazinetzwerks „Blood & Honour“ organisiert. Darin war auch der
mutmaßliche NSU-Helfer Thomas S. eingebunden – [2][er war von 2000 bis 2011
V-Mann der Berliner Polizei].
Es spricht vieles dafür, dass der Rücktritt des sachsen-anhaltischen
Verfassungsschutz-Chefs Volker Limburg mit „Corelli“ zusammenhängt. Bislang
wurde als Grund genannt, dass jetzt eine alte MAD-Akte zu Mundlos
auftauchte. Die schwarz-rote Landesregierung in Magdeburg hatte stets
behauptet, es gebe keinen NSU-Bezug zu Sachsen-Anhalt.
[3][Vor vier Wochen hatte die taz enthüllt, dass R. eines von rund 20
Mitgliedern des deutschen Ku-Klux-Klan-Ablegers European White Knights of
the Ku Klux Klan war.] Auch zwei Kollegen der Polizistin Michèle
Kiesewetter, die 2007 in Heilbronn vom NSU ermordet worden sein soll,
mischten zeitweise in dem rassistischen Geheimbund mit. Jetzt ist klar,
warum der Verfassungsschutz so gut Bescheid wusste: „Corelli“ lieferte
Informationen.
Unklar ist, was der Spitzel über den NSU wusste. Es gibt keinen Hinweis
darauf, dass R. nach 1998 in Kontakt mit Mundlos stand. Interessant ist
sein Bezug zur Zeitschrift Der Weisse Wolf, deren Internetpräsenz sich auf
einer seiner rechtsextremen Websites befand. [4][Im Jahr 2002 wurde darin
ein aus heutiger Sicht bemerkenswerten Satz gedruckt:] „Vielen Dank an den
NSU“ – neun Jahre bevor die Terrorzelle aufflog. Die Ermittler des BKA
haben R. aber nur als Zeugen vernommen, nicht als Verdächtigen.
In der rechtsextremen Szene ist der 37-Jährige, der heute in Leipzig wohnt,
nach wie vor unterwegs. Im Mai noch veröffentlichte er als „Nationaler
Demonstrationsbeobachter“ Fotos auf seiner Website. Für die taz war er
nicht zu erreichen. Nachdem in Sachsen-Anhalt seine Spitzeltätigkeit
thematisiert wurde, soll „Corelli“ an einen geheimen Ort gebracht worden
sein.
19 Sep 2012
## LINKS
DIR [1] /Rechtsextremismus-Datei-gestartet/!101966/
DIR [2] /NSU-Helfer-war-Polizeispitzel/!101709/
DIR [3] /Verbindungen-vom-NSU-zum-Ku-Klux-Klan/!99698/
DIR [4] /Nazi-Heft-jubelte-schon-2002-ueber-NSU/!90536/
## AUTOREN
DIR Sebastian Erb
## TAGS
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