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       # taz.de -- Größter Schiffsfriedhof der Welt: Schweröl im Wattenmeer
       
       > Am Strand des indischen Alang wurden seit den achtziger Jahren über 6.000
       > Wracks zerlegt. Ein gutes Geschäft – auf Kosten von Umwelt und Arbeitern.
       
   IMG Bild: Die „Wisdom“ (Weisheit) auf dem Weg nach Alang.
       
       NEU-DELHI taz | Dutzende Ozeanriesen liegen am kilometerlangen Strand von
       Alang. Von einigen sind nur noch die entkernten Stahlskelette übrig. Andere
       sind erst vor Kurzem mit voller Fahrt in den Schlick vor der westindischen
       Küste gerammt worden. Alang ist Endstation für die Wracks der
       internationalen Seefahrt und inzwischen der wohl größte Schiffsfriedhof der
       Welt.
       
       „Seit 1982 wurden rund 6.000 Schiffe hierhergebracht und ohne Rücksicht auf
       das fragile Ökosystem an der Küste zerlegt“, sagt Gopal Krishna von der
       Umweltorganisation [1][Toxic Watch]. Auch die Arbeitsbedingungen für die
       mindestens 20.000 Beschäftigten der Abwrackindustrie sind katastrophal.
       
       Das Problem beginne bereits mit dem sogenannten Beaching, sagt Krishna. „Um
       die Schiffe zerlegen zu können, werden sie im Gezeitenbereich vor der Küste
       gestrandet, es gibt weder Anleger noch Trockendocks.“ Bei dieser Methode
       gelange etwa Schweröl direkt ins Wattenmeer.
       
       Hinzu kommen giftige Hinterlassenschaften in den Schiffen wie
       Schwermetalle, radioaktive Stoffe oder Asbest. Obwohl Indien die Basler
       Konvention über die Kontrolle von Sondermüllexport unterzeichnet hat,
       spielen Umweltstandards bei der Entsorgung keine Rolle. Dabei hat der
       oberste Gerichtshof in Neu-Dehli immer wieder Verbesserungen gefordert.
       2006 etwa stoppte er die in Alang geplante Verschrottung des französischen
       Flugzeugträgers Clemenceau.
       
       Doch Schiffseigner und Abwrackunternehmen „umgehen Gesetze auch mithilfe
       gefälschter Dokumente“, sagt Krishna. Die EU-Kommission habe unlängst in
       einem Brief an die indischen Behörden beklagt, dass es sich bei den meisten
       Wracks in Alang um Fälle illegaler Abfallentsorgung handele.
       
       ## Doppelmoral der EU
       
       Gleichzeitig plane die EU eine Lockerung der strengen Bestimmungen, sagt
       der Aktivist und spricht von „Doppelmoral“. Die Unternehmen aus den
       Industriestaaten müssten für die Entsorgung ihres maritimen Sondermülls im
       Westen teuer bezahlen. In Südasien bekommen sie dagegen noch den
       Schrottpreis von den Abwrackunternehmen. Für den Unglückstanker „Exxon
       Valdez“ etwa gingen unlängst zwölf Millionen Euro über den Tisch.
       
       Leidtragende sind auch die schlecht bezahlten Arbeitskräfte. Mit bloßen
       Händen tragen sie tonnenschwere Aufbauten ab und entsorgen giftige
       Rückstände – sofern diese nicht einfach bei Flut ins Meer laufen. Die
       Internationale Arbeitsorganisation stellte fest: „Die Verschrottung von
       Schiffen ist unter allen Bedingungen eine schmutzige und gefährliche
       Arbeit, doch eine Zerlegung am Strand ist besonders unsicher und
       risikoreich.“
       
       19 Sep 2012
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://toxicswatch.blogspot.de/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Stefan Mentschel
       
       ## TAGS
       
   DIR Schifffahrt
   DIR Robert Habeck
       
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