URI: 
       # taz.de -- Internetseite makelovenotporn.tv: Den Sex ins Leben zurückholen
       
       > Cindy Gallop versucht seit Jahren, Pornoklischees zu relativieren und
       > abzubauen. Ihr neuestes Projekt ist eine kostenpflichtige Videoplattform.
       
   IMG Bild: „Die Leute sind gesättigt“, sagt ein Sexualwissenschaftler, industrielle Pornografie verliere an Reiz.
       
       Mit ihr hatte das Publikum nicht gerechnet. Mit dieser kleinen Frau
       mittleren Alters, die bis in die Haarspitzen ihres blonden Bobs voll
       Energie schien, deren schwarze Lederleggings im Scheinwerferlicht glänzten,
       als sie die Bühne betrat. In ungewohnter Offenheit sprach Cindy Gallop auf
       der TED-Konferenz 2009 in Kalifornien über ein ungewöhnliches Thema:
       Pornografie und Sex.
       
       Sie sorge sich um junge Mädchen, die ihre Partner auf ihre Gesichter
       ejakulieren lassen, nicht weil sie es mögen, sondern weil Pornografie ihnen
       beigebracht hat, es sei normal. Sie sorge sich auch um junge Männer – über
       die sie aus eigener Erfahrung berichten könne, wie sie zu Beginn ihres
       Vortrags klar stellte: Sie gehe mit ihnen aus, und wenn sie das tue, dann
       habe sie Sex mit ihnen.
       
       Gallop präsentierte damals ihre Webseite [1][makelovenotporn.com], die
       mittels simpler Gegenüberstellungen von „Porn World“ und „Real World“
       versucht, Pornoklischees zu relativieren und abzubauen. Drei Jahre später
       geht Gallop mit ihrem Anliegen nun den nächsten Schritt:
       [2][//makelovenotporn.tv/:makelovenotporn.tv].
       
       Zwar ließ ihr Vortrag einige Zuhörer verschämt zurück, doch habe sie derart
       viele zustimmende und ermutigende Rückmeldungen erhalten, dass sie sich
       entschlossen habe, eine Plattform für Videos zu gründen, die authentischen
       Geschlechtsverkehr zwischen ganz normalen Leuten zeigen sollen.
       
       ## Dialog über Sex und Pornografie
       
       Dabei möchte sie nicht wertend wirken, sie lehnt Pornografie nicht ab – auf
       makelovenotporn.tv ist zu lesen: „pro-sex, pro-porn, pro-knowing the
       difference“. Gallops Ziel: Ein Dialog über Sex und Pornografie, über
       Wirklichkeit und Klischees. „Offen, ehrlich, in einer Weise, die nicht nur
       Sexleben, sondern Leben verbessert“, schreibt sie in ambitioniertem Ton auf
       dem Blog ihres Projektes.
       
       „Generell ist es erfreulich, wenn der Versuch unternommen wird, Sexualität
       aus der Pornografie heraus und ins Leben zurück zu holen“, sagt Dr. Jakob
       Pastötter. Doch zweifelt der Präsident der Deutschen Gesellschaft für
       Sozialwissenschaftliche Sexualforschung, ob die Nutzer-Videos tatsächlich
       authentisch sein können: „Sobald eine Kamera läuft, verhalten wir uns
       anders.“
       
       Nichtsdestotrotz böten solche Filme eine Reihe Vorzüge – beispielsweise die
       Darstellung von Zärtlichkeit und Sensibilität, die sich in Pornografie kaum
       findet. Gallops Beweggründe sind indes nicht frei von Eigennutz.
       
       Die Tochter einer Chinesin und eines Briten hat Englisch in Oxford
       studiert, war fast 30 Jahre in der Werbung, hat das US-Büro einer großen
       europäischen Agentur in New York gegründet – und möchte auch weiterhin
       erfolgreich Geld verdienen.
       
       ## Simples Prinzip
       
       Das Prinzip ist simpel. Wer ein Video ansehen möchte, muss fünf Dollar
       zahlen und hat anschließend drei Wochen unbegrenzten Zugriff. Auch wer ein
       Video hochladen möchte, muss fünf Dollar zahlen – erhält allerdings 50
       Prozent des Geldes, das andere Nutzer dafür zahlen, abzüglich einiger
       anfallender Kosten zur Unterhaltung der Webseite.
       
       Gallop ist die Beteiligung der Nutzer wichtig: „Jeder, der etwas erschafft,
       das anderen Freude bereitet, hat eine finanzielle Gegenleistung verdient“,
       sagt sie. Im Idealfall, so Gallop, investierten die Nutzer ihr verdientes
       Geld sogleich in das Sehen neuer Videos – ein Kreislauf, aus dem die
       Unternehmerin und ihr achtköpfiges Team sich ihren Anteil abschöpfen.
       
       Seit etwas mehr als vier Wochen ist die Seite nun online, befindet sich
       jedoch noch in der Beta-Phase – anmelden kann sich nur, wer eine Einladung
       erhält, nachdem er seinen Namen auf eine Warteliste gesetzt hat.
       
       ## 19.000 Nutzer
       
       Das haben nach Angaben Gallops gegenüber der New York Times bereits etwa
       19.000 Nutzer getan, auf der Seite sind bisher jedoch nur 13 Videos
       anzusehen. Pastötter allerdings bescheinigt dem Projekt gute
       Erfolgschancen, obwohl – oder gerade weil – Pornografie allüberall gratis
       verfügbar ist: „Die Leute sind gesättigt“, sagt der Sexualwissenschaftler,
       industrielle Pornografie verliere an Reiz.
       
       Ihren Plänen nach zu urteilen, scheint auch Gallop darauf zu vertrauen: Sie
       wolle etwas erschaffen, „das letztendlich das Potenzial dazu hat, so
       alldurchdringend zu werden, wie Pornografie derzeit ist.“
       
       17 Sep 2012
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://makelovenotporn.com/myths/facial
   DIR [2] http://https
       
       ## TAGS
       
   DIR Pornografie
   DIR Internet
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Realistischer Sex in Pornografie: Realer als Analsex
       
       Pornos prägen, was viele Menschen über Sex wissen und wie sie ihn haben.
       Eine Reihe neuer Projekte versucht deshalb, Sex realistischer darzustellen.
       
   DIR Verdacht auf Betrug am Fiskus: „Porno-König“ verhaftet
       
       Fabian Thylmann gehören einige der beliebtesten Pornoseiten im Netz. Nun
       wurde er wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung festgenommen.
       
   DIR Warum Fortpflanzung funktioniert: Sexuelle Erregung senkt Ekelschwelle
       
       Sperma und Sabber finden die meisten Menschen im Normalzustand eher eklig.
       Aber es gibt eine biologische Lösung, damit es mit dem Sex trotzdem klappt.
       
   DIR Pornographie und Technik: „Den Ausbau des Netzes beschleunigt“
       
       Ist Pornografie der heimliche Motor technologischer Entwicklungen?
       Zumindest hätten Pornos sie beschleunigt, sagt Technologieforscher Jonathan
       Coopersmith.