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       # taz.de -- SPD-Zukunftskongress: Der Klub der kleinen Leute
       
       > Die SPD rüstet sich auf ihrem Zukunftskongress für den
       > Bundestagswahlkampf und bringt Kandidaten und Themen in Stellung. Eine
       > große Koalition lehne man ab.
       
   IMG Bild: Wer sitzt im Wahlkampf in der ersten Reihe? Die potenziellen Kanzlerkandidaten auf dem Zukunftskongress der SPD.
       
       BERLIN taz | Die kleinen Leute – immer und immer wieder ging es an diesem
       Wochenende bei der SPD um sie. Wie man sie vor dem Großkapital, der CDU und
       der Eurokrise schützen sollte, wie sie der Bildung und des Wohlstands
       teilhaftig werden könnten. Man wolle, sagt Fraktionschef Frank-Walter
       Steinmeier in seiner Auftaktrede zum SPD-Zukunftskongress im Berliner
       Paul-Löbe-Haus, „eine gemeinsame Haltung“ erarbeiten und die Frage
       beantworten, mit welchen Themen die Sozialdemokraten in den
       Bundestagswahlkampf 2013 ziehen.
       
       Wer die Partei dabei führen soll – diese Frage schwang selbstverständlich
       mit. Alle drei in Frage kommenden Kandidaten hielten beim Zukunftskongress
       eine Rede. Steinmeier zu Beginn, Parteichef Sigmar Gabriel am Schluss und
       gegen Mittag Ex-Finanzminister Peer Steinbrück. Sie verteidigten die
       Entscheidungen der Agenda 2010. Tenor: Ja, es habe Verwerfungen, etwa bei
       der Leiharbeit, gegeben – aber letztlich habe die Richtung gestimmt. Sei
       man 2013 wieder an der Macht, wolle man nachjustieren. Doch wie soll diese
       Macht aussehen?
       
       Steinmeier erteilte in seiner Rede der großen Koalition eine Absage. Man
       wolle 2013 nicht als Juniorpartner firmieren, sagte er, „wir spielen auf
       Sieg, nicht auf Platz“. Die SPD strebe eine rot-grüne Mehrheit an – und die
       sei zu erreichen, die Genossen sollten sich da „von Umfragen nicht irre
       machen“ lassen. „Wir wollen eine Regierung von vorne führen, und zwar
       dauerhaft.“ Die aktuellen Umfragewerte sprechen gleichwohl eine andere
       Sprache. Laut Emnid ist die SPD um minus zwei auf 26 Prozent abgesackt, die
       Union legte um zwei auf 38 Prozent zu. Noch nie seit der Bundestagswahl
       2009 war der Abstand so groß.
       
       Peer Steinbrück ließ es an Selbstbewusstsein nicht mangeln. Die SPD, so der
       65-Jährige, habe bis 2009 „mehr richtig gemacht, als wir uns gelegentlich
       als Sozialdemokraten selber eingestehen“, schalt er die Agenda-Kritiker.
       „Etwas mehr Selbstbewusstsein über das, was uns gelungen ist, täte dem
       öffentlichen Erscheinungsbild der SPD ganz gut.“ Jetzt gelte es, die
       politische Macht zurückzuerobern – dann könne man über „Fehler und
       Korrekturen“ reden.
       
       ## Auf der Suche nach der Abgrenzung
       
       Der einstige Bundesfinanzminister hatte sich tags zuvor in seinem Wahlkreis
       als Bundestagskandidat beworben. Dort äußerte er in seiner Rede den
       zweideutigen Satz: „Peer Steinbrück wird nie wieder in einem Kabinett von
       Frau Merkel zu finden sein.“ Eine Bemerkung, die seinen jüngeren
       Konkurrenten wohl nicht so leicht von den Lippen ginge.
       
       Mit ihren auf dem Zukunftskongress präsentierten acht Themenfeldern
       versucht sich die Fraktion fit zu machen für innen- und außenpolitischen
       Herausforderungen. Sie sucht aber vor allem die spezifisch Abgrenzung zur
       linken Union, die in der Merkel-Ära Sozi-Themen gekapert und neobürgerlich
       interpretiert hat. Parteichef Sigmar Gabriel formulierte in seiner
       Schlussrede den Anspruch, die SPD wolle „öffentlich darüber verhandeln, wie
       wir morgen leben wollen, nicht, wie uns das die Finanzmärkte diktieren“.
       
       Nach dem Kongress beginne die Phase des Zuhörens, die Partei fragte die
       Wähler: Was soll besser werden in unserem Land? „Wir machen nicht alles,
       was ihr uns sagt“, rief Gabriel, „aber wir reden mit euch darüber.“
       Zynische Welterklärer, die die Globalisierung als Ausrede für soziale
       Grausamkeiten hernähmen, gebe es schon genug. Die Sozialdemokratie aber
       meine „die fleißigen Menschen, die die eigentliche Kraft sind, nicht die
       selbst ernannten Eliten“. SPD-Rhetorik vom alten Schlag. Im Mittelpunkt:
       die kleinen Leute.
       
       16 Sep 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anja Maier
       
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