URI: 
       # taz.de -- Proteste in der islamischen Welt: Streit um Video eskaliert
       
       > US-Botschaftspersonal soll Tunesien und Sudan verlassen. Youtube wird den
       > islamfeindlichen Film nicht entfernen, die rechtspopulistische Partei Pro
       > Deutschland will ihn in Berlin zeigen.
       
   IMG Bild: Ein Protestant gegen das islamkritische Video wird in Sidney, Australien festgenommen.
       
       WASHINGTON dapd/dpa | Die USA ziehen aus ihren diplomatischen Vertretungen
       in Tunesien und dem Sudan alles nicht unbedingt erforderliche Personal ab.
       Auch Familienangehörige der Diplomaten sollten die Länder verlassen,
       ordnete das Außenministerium am Samstag in Washington an. Es reagierte
       damit auf Ausschreitungen nach der Veröffentlichung eines islamfeindlichen
       Schmähvideos, bei dem in Libyen vier US-Diplomaten getötet wurden.
       
       Bei Protesten vor der US-Botschaft in Tunis wurden am Freitag vier
       Demonstranten getötet und 49 verletzt. Das US-Außenministerium gab eine
       Reisewarnung für Tunesien aus. US-Bürger sollten extrem vorsichtig sein und
       Demonstrationen meiden. Der Flughafen von Tunis sei geöffnet, alle
       US-Bürger wurden ermutigt, das Land per Flugzeug zu verlassen.
       
       Auch in Khartum gab es Ausschreitungen, von denen auch die deutsche
       Botschaft betroffen war. Zum Schutz der US-Botschaft wollte die
       US-Regierung eine Elitetruppe der Marineinfanterie entsenden, wogegen die
       sudanesische Regierung jedoch Einspruch einlegte. Die Mission wurde
       daraufhin ausgesetzt, wie aus Regierungskreisen in Washington verlautete.
       Außenamtssprecherin Victoria Nuland sagte, der Sudan habe zugesichert, die
       Botschaft wie in den Wiener Konventionen festgelegt zu schützen. Die
       US-Regierung beobachte die Lage genau, sagte Nuland.
       
       US-Außenministerin Hillary Clinton telefonierte am Samstag mit dem
       libyschen Ministerpräsidenten Musatafa Abushagur. Er habe sich
       zuversichtlich geäußert, dass die Angreifer zur Verantwortung gezögen
       würden, sagte Clintons Sprecherin Nuland. Außerdem telefonierte Clinton mit
       dem Präsidenten von Somalia und den Außenministern von Großbritannien,
       Ägypten, Frankreich, Saudi-Arabien und der Türkei.
       
       ## Video wird nicht entfernt
       
       Google lehnte unterdessen eine Bitte des Weißen Hauses ab, den
       islamfeindlichen Mohammed-Film von der Internetplattform Youtube zu
       entfernen. Der Zugang werde lediglich in einzelnen Ländern gesperrt, hieß
       es. Das Weiße Haus in Washington hatte am Freitag erklärt, es habe Youtube
       um eine Überprüfung gebeten, ob das Video gegen die Nutzungsbedingungen
       verstoße. Youtube erklärte daraufhin, das Video bewege sich eindeutig
       innerhalb der Richtlinien und werde daher nicht entfernt. Die
       Internetplattform gehört dem Konzern Google.
       
       Der Zugang zu dem Video wurde in Libyen und Ägypten gesperrt. Youtube
       berief sich dabei auf „die sehr sensible Lage“ in diesen beiden Staaten.
       Später sperrte Youtube den Zugang zu dem Schmähfilm auch in Indien und
       Indonesien. Die Regierungen dieser Länder hatten darauf hingewiesen, dass
       das Video gegen Gesetze verstoße.
       
       Der mutmaßliche Urheber des islamfeindlichen Films wurde am Samstag von
       Beamten der US-Behörde für Bewährungsstrafen vernommen. Ein Sprecher der
       Polizei von Los Angeles erklärte, die halbstündige Befragung des
       55-jährigen Nakoula Basseley Nakoula habe in der Polizeiwache von dessen
       Heimatort Cerritos stattgefunden. Er sei freiwillig zur der Wache gekommen.
       
       ## Urheber auf Bewährung
       
       Dabei hatte er sich zum Schutz vor den Kameras der zahlreichen
       Medienvertreter, die sein Haus belagerten, mit Hut, Schal und Brille
       vermummt. Nakoula steht derzeit nach einer Verurteilung wegen Bankbetrugs
       fünf Jahre unter Bewährung. Er darf demnach weder Computer noch das
       Internet nutzen oder unter falschem Namen auftreten. Wie schon am Freitag
       bekannt wurde, wird derzeit überprüft, ob er gegen Auflagen verstoßen hat.
       Sollte dies der Fall sein, müsste Nakoula wohl ins Gefängnis.
       
       Außenminister Guido Westerwelle (FDP) forderte die Regierung in Khartum
       nach dem Übergriff auf die deutsche Botschaft im Sudan zum Schutz deutscher
       Staatsbürger auf. „Dass unsere Botschaft trotz vorheriger Aufforderung
       nicht ausreichend geschützt wurde, können wir nicht akzeptieren“, sagte
       Westerwelle der Zeitung Welt am Sonntag laut Vorabbericht. „Ich erwarte vom
       Sudan, dass er die Integrität unserer Botschaft und die Sicherheit unserer
       Landsleute in vollem Umfang garantiert.“ Dem Blatt zufolge war für Sonntag
       eine weitere Demonstration geplant, die sich gegen Deutschland richten
       sollte.
       
       ## „Kunst- und Meinungsfreiheit“
       
       Bundesinnenminister Friedrich kündigte ein entschiedenes Vorgehen gegen die
       rechtspopulistische Splitterpartei Pro Deutschland an, sollte diese wie
       angekündigt das umstrittene Mohammed-Video in Berlin öffentlich zeigen.
       „Solche Gruppen und Organisationen wollen die Islamisten auch in
       Deutschland provozieren“, sagte Friedrich dem Magazin Der Spiegel. „Dagegen
       muss man mit allen rechtlich zulässigen Mitteln vorgehen.“
       
       Die Partei hatte auf ihrer Internetseite angekündigt, den Schmähfilm in
       Berlin zu zeigen, ohne einen genauen Termin oder Ort zu nennen.
       Pro-Deutschland-Chef Manfred Rouhs sagte dem Magazin, er wolle den
       umstrittenen Film in voller Länge in Berlin zeigen. „Uns geht es um die
       Kunst- und Meinungsfreiheit“, sagte er.
       
       16 Sep 2012
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Kommentar Ausschreitungen Tunesien: Wild gewordene Männer
       
       In Tunesien kämpfen Salafisten gegen die offene Gesellschaft. Lasche
       Sicherheitsmaßnahmen spielen ihnen in die Hände.
       
   DIR Antimuslimisches Video: Opposition gegen Ausstrahlungsverbot
       
       Während die Regierung diskutiert, die Aufführung des Mohammed-Videos in
       Deutschland zu verbieten, ist für die Opposition klar: Dafür gibt es keine
       Grundlage.
       
   DIR Kein anti-islamischer Film in Deutschland: Protest gegen Provokation
       
       „Pro Deutschland“ will Mohammed-Film in Berlin zeigen – Innenminister
       Friedrich (CSU) versucht das mit einem Einreiseverbot für US-Hassprediger
       zu verhindern.
       
   DIR Proteste gegen Schmähvideo: Botschaften mit Notbesetzung
       
       Aus Angst vor Übergriffen reduzieren die westlichen Länder das Personal in
       ihren Vertretungen. Die Lage blieb auch am Sonntag angespannt.
       
   DIR Kommentar Hassvideo: Was den Anständigen bleibt
       
       Die Rechtsaußen von Pro Deutschland wollen die Hassspirale weiter drehen.
       Die Bürgergesellschaft muss ihnen zeigen, dass sie nur ein „lächerlicher
       Haufen“ sind.
       
   DIR Islamisten gegen Westen: Botschaften unter Feuer
       
       Wütende Demonstranten versuchen westliche Botschaften im Sudan, Ägypten und
       in Tunesien zu stürmen. An der deutschen Vertretung in Khartum legen sie
       Feuer.
       
   DIR Proteste gegen Schmähvideo im Sudan: Deutsche Botschaft gestürmt
       
       Aufgebrachte Demonstranten stürmen die deutsche Botschaft im Sudan und
       legen angeblich Feuer. Demonstrationen gab es in vielen islamischen
       Staaten.
       
   DIR Islamfeindliches Video: Proteste nach Freitagsgebet erwartet
       
       Die Proteste der Muslime gegen das Schmähvideo dürften nach den
       Freitagsgebeten einen neuen Höhepunkt erreichen. Die US-Vertretungen
       bereiten sich darauf vor.
       
   DIR Botschaftssturm in Bengasi: Verdächtige gefasst
       
       Nach dem blutigen Sturm auf das US-Konsulat in Bengasi haben libysche
       Behörden erste Verdächtige verhaftet. Im Jemen starb angeblich ein Mensch
       vor der US-Botschaft.
       
   DIR Proteste in Tunesien und Ägypten: Kein Ende in Sicht
       
       Die Proteste gegen einen islamfeindlichen Film gehen weiter. In Kairo und
       Tunis wurde die Nacht über demonstriert. Im Iran sind für Donnerstag
       Proteste angekündigt.