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       # taz.de -- Missbrauch in Ahrensburger Kirchengemeinde: Die Angst vor der Aufklärung
       
       > Schon vor der Einstellung der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen hatte
       > der Opferverein auf eine außergerichtliche Aufarbeitung gesetzt. Doch
       > nicht alle Opfer sind damit glücklich.
       
   IMG Bild: Sprechen nicht für alle Opfer: Ursula Enders, Bischöfin Kirsten Fehrs und Anselm Kohn.
       
       HAMBURG taz | „Alles wird gut“, hätte die Pressekonferenz überschrieben
       sein können, die die Evangelische Kirche vor einer Woche zu den
       Missbrauchsfällen in Ahrensburg gab. Einträchtig saßen die Hamburger
       Bischöfin Kirsten Fehrs und der Vorsitzende des Vereins „Missbrauch in
       Ahrensburg“, Anselm Kohn, nebeneinander, und beide schienen nicht erfreut
       über die tags zuvor bekannt gewordenen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft
       Lübeck gegen ehemalige Funktionsträger der Nordelbischen Kirche.
       
       Fehrs meinte, die Kirche sei überhaupt nicht an dem Verfahren beteiligt
       worden und Kohn kritisierte scharf die beiden Ex-Mitglieder seines Vereins,
       die die Anzeige „gegen den Willen der Betroffenen“ gestellt hätten.
       
       In Ahrensburg, so schien es, setzen sowohl die Kirche als auch die Opfer
       auf die außergerichtliche Aufarbeitung: Man hat sich auf eine unabhängige
       Komission verständigt, die die Vorfälle untersuchen soll und „das, was
       dadurch in der Gemeinde angerichtet worden ist“, so die designierte
       Vorsitzende der Kommission, Ursula Enders vom Opferverein „Zartbitter“.
       
       Nicht um das, was vorgefallen ist, sondern um das „ganze System des
       Missbrauchs“ solle es bei den Nachforschungen gehen, sagte Enders. Und Kohn
       antwortete in einem Spiegel-Interview auf die Frage, was er von der
       Aufhebung der Verjährungsfristen bei sexuellem Missbrauch halte, dass man
       darüber diskutieren müsse: „Allerdings würde die Abschaffung der
       Verjährungsfristen bedeuten, dass ein Opfer sein Leben lang als Zeuge zur
       Verfügung stehen müsste und damit einer Retraumatisierung ausgesetzt wäre.“
       
       Ob er dabei für alle Opfer spricht, ist allerdings die Frage. „Ich hätte
       ein Verfahren begrüßt“, sagt Anselms Bruder Sebastian Kohn, nachdem die
       Staatsanwaltschaft die Einstellung der Ermittlungen bekanntgegeben hat.
       Sebastian Kohn hätte bei einem Prozess aussagen müssen: Er ist einer der
       drei Brüder, die von ihrem Stiefvater, Pastor K., missbraucht wurden. Auf
       die unabhängige Kommission setzt er nicht so große Hoffnungen: „Wir wissen
       ja, wie in der Kirche gespielt wurde, das können sie mit Frau Enders auch
       machen.“
       
       Tatsächlich hat sich die Nordelbische Kirche bei der internen Aufarbeitung
       bislang nicht mit Ruhm bekleckert. Nachdem der Skandal 2010 öffentlich
       geworden war, beauftragte sie eine Kieler Kanzlei mit Ermittlungen, die in
       der Empfehlung mündeten, gegen die damalige Dienstvorgesetzte von Pastor
       K., Pröpstin Heide Emse, ein Disziplinarverfahren zu eröffnen. Die Kirche
       lehnte ab: Emse sei bereits im Ruhestand, das einzige, was ein
       Disziplinarverfahren noch ausrichten könne, sei eine Entlassung aus dem
       Dienst. Eine Verfehlung, die dies rechtfertige, sei aber nicht zu erkennen.
       
       Emse hatte von den Missbrauchsvorwürfen gegen Pastor K. erfahren und seine
       Versetzung veranlasst. Eine Anzeige wegen Missbrauchs erstatteten
       allerdings weder sie noch jemand anderes – im Kieler Kirchenamt wurden bei
       den späteren Untersuchungen keine Akten zu dem Fall gefunden.
       
       Wie viele Personen in der Kirche außer Emse von den Vorwürfen wussten, ist
       umstritten. Pastor K. kam einem Disziplinarverfahren zuvor, indem er seine
       Entlassung aus dem Dienst beantragte.
       
       Als die Staatsanwaltschaft Lübeck ihre Ermittlungen einstellte, begründete
       sie das damit, die „früheren Funktionsträger“ seien nicht verpflichtet
       gewesen, „ihnen zuteil gewordene Informationen über Fälle sexuellen
       Missbrauchs durch den ehemaligen Pastor K. in Ahrensburg an die
       Strafverfolgungsbehörden weiterzuleiten“. Dennoch hätten sie es tun können.
       
       14 Sep 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Daniel Wiese
   DIR Daniel Wiese
       
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