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       # taz.de -- Kolumne Macht: Die Ehre der Bettina Wulff
       
       > Ob man sie mag oder nicht: Die frühere First Lady hat alles Recht, sich
       > gegen Gerüchte zur Wehr zu setzten. Auch, wenn die PR ihrem Buch dient.
       
   IMG Bild: Abgreifen: Bettina Wulffs Buch ist im Handel.
       
       Über eine Frau werden Gerüchte verbreitet, die sie als ehrverletzend
       empfindet. Sie wehrt sich gegen die Verbreitung dieser Gerüchte – und was
       haben männliche Blogger, Kolumnisten, PR-Spezialisten und
       Leserbriefschreiber in ihrer großen Mehrheit dazu zu sagen? Sie finden
       nicht etwa die Rufmordkampagne skandalös. Nein, sie erregen sich darüber,
       dass die Frau mit dem Thema an die Öffentlichkeit geht.
       
       Am besten gefällt mir das Argument, die Ehefrau des ehemaligen
       Bundespräsidenten habe ja durch den Kampf gegen die Gerüchte selber dafür
       gesorgt, dass ein breiteres Publikum überhaupt davon erfuhr. Folgt man
       dieser Logik, dann sollten alle Opfer von Erpressungen oder
       Vergewaltigungen brav den Mund halten. Könnte ja sein, dass die Nachbarn
       davon hören, wenn sie zur Polizei oder zum Anwalt gehen.
       
       Bemerkenswert ist auch der Vorwurf, Bettina Wulff habe mit ihren
       Unterlassungsklagen vor allem Werbung für ihr Buch machen wollen. Sollte
       das so sein, dann wäre das weder illegal noch moralisch verwerflich. Der
       Versuch, das eigene Werk zu vermarkten, soll üblich sein im
       Verlagsgeschäft. Und wenn es der Autorin auf diese Weise gelingt, aus
       erlittener Unbill wenigstens einen Vorteil zu ziehen, dann ist das nicht
       schamlos, sondern eine Genugtuung für alle, die anonymen, gehässigen
       Klatsch widerlich finden.
       
       Die Richtung der Reaktionen auf die Rufmordkampagne ist allerdings keine
       Überraschung. Sie stand schon fest, als die Gerüchte genüsslich in Berlin
       herumerzählt wurden. Wenn es sich nachweisen ließe, dass die Ehefrau von
       Christian Wulff früher im Rotlichtmilieu unterwegs gewesen sei, dann werde
       es „ganz, ganz eng“ für den Bundespräsidenten. So seinerzeit die einhellige
       Meinung der lüsternen Tratschonkel. Auch mancher, die sich selbst für links
       halten und behaupten, glühende Anhänger der Gleichberechtigung der Frau zu
       sein.
       
       Warum hätte es eigentlich eng werden sollen für das damalige
       Staatsoberhaupt? Weil ein Ehemann für das Verhalten seiner Frau
       verantwortlich ist – selbst für die Zeit, in der sich die beiden noch gar
       nicht kannten? Willkommen im 19. Jahrhundert. Würde es auch „ganz, ganz
       eng“ für Angela Merkel oder Ursula von der Leyen, wenn deren Ehemänner
       jemals bei einem Bordellbesuch beobachtet würden? Gewiss nicht. Man darf
       davon ausgehen, dass viele Männer den Vergleich nicht mal verstehen.
       
       Prostitution ist nicht illegal, sondern ein steuerpflichtiges Gewerbe.
       Hätte Bettina Wulff zu einem Zeitpunkt, zu dem sie ausschließlich eine
       Privatperson war, diesen Beruf ausgeübt, dann wäre das allein ihre
       Angelegenheit und vielleicht noch die ihrer Familie. Nun hat sie den Beruf
       gar nicht ausgeübt. Aber der Öffentlichkeit wäre sie so oder so keine
       Rechenschaft schuldig, solange sie Kunden nicht von einem Schreibtisch im
       Schloss Bellevue aus angeworben hat. Was jedoch nicht im Umkehrschluss
       bedeutet, dass sie Lügen über ihr Leben nicht mit allen Mitteln bekämpfen
       dürfte.
       
       Übrigens kann man die Interviews, die Bettina Wulff in den letzten Tagen
       zum Zustand ihrer Ehe gegeben hat, mit gutem Grund indiskret, treulos und
       weinerlich finden. Ich tue das. Alles, was ich über ihr Buch gehört habe,
       veranlasst mich, es nicht lesen zu wollen. Aber das steht auf einem anderen
       Blatt. Auch Leute, die einem nicht sympathisch sind, müssen sich Rufmord
       nicht gefallen lassen.
       
       14 Sep 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bettina Gaus
       
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