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       # taz.de -- Kommentar ESM-Urteil: Karlsruhe bleibt im Spiel
       
       > Das Bundesverfassungsgericht ist ein ständiger Unruheherd in der
       > Eurorettung. Jetzt beginnt ein Streit über die Politik der EZB.
       
       Nach dem Urteil ist vor dem Urteil. Das Bundesverfassungsgericht ist ein
       ständiger Unruheherd in der Eurorettung. Kaum hat es den ESM-Rettungsschirm
       mit kleinen Auflagen akzeptiert, beginnt es einen Streit über die Politik
       der Europäischen Zentralbank. Noch im Herbst soll dazu eine neue
       Verhandlung stattfinden. Eine Beruhigung der Märkte sieht anders aus.
       
       In seinem Urteil hat Karlsruhe den ESM-Rettungsschirm für
       verfassungskonform erklärt. Die Richter stellen nun aber sicher, dass die
       Maximalsumme von 190 Milliarden Euro nicht hinter dem Rücken des Bundestags
       ausgeweitet werden kann.
       
       Eigentlich geht es dabei um eine Bekräftigung dessen, was eh im ESM-Vertrag
       steht. Nun muss die Bundesregierung aber noch einmal in völkerrechtlich
       verbindlicher Form erklären, dass das auch wirklich für alle denkbaren
       Fälle und böswilligen Vertragsauslegungen gilt.
       
       Das ist selbstverständlich Symbolpolitik, einerseits. Es erlaubt den
       Karlsruher Klägern, zumindest einen kleinen Sieg für sich zu verbuchen.
       Zugleich wird den Horrorszenarien, die vor Risiken in Höhe von weit über
       700 Milliarden Euro warnten, der Boden entzogen. Andererseits kann es bei
       diesen schwindelerregenden Milliardensummen auch nicht schaden, alle
       Schlupflöcher mehrfach zu schließen.
       
       Bedenklich ist allerdings, dass jetzt immer noch nicht Ruhe ist. Denn nun
       will Karlsruhe die Politik der Europäischen Zentralbank (EZB)
       thematisieren. Die hatte letzte Woche beschlossen, Anleihen finanzschwacher
       Staaten in unbeschränkter Höhe (aber gegen Auflagen) aufzukaufen. Der
       Streit ist also längst nicht beigelegt.
       
       Letztlich geht es um den Konflikt, ob die Zentralbank auch bedrängten
       Nationalstaaten gegen überhöhte Zinsen helfen darf oder ob sie nur für die
       Stabilität des Euro zuständig ist. Fast alle Mitgliedsstaaten sind für ein
       weit verstandenes Mandat, nur die Bundesbank und jetzt auch das
       Bundesverfassungsgericht kämpfen für die puristische Variante – obwohl weit
       und breit keine Inflationsgefahr in Sicht ist. Die deutsche Position wird
       sich am Ende deshalb nicht durchsetzen können. Sie sorgt nur für neue
       Unsicherheit und verschlimmert damit die Krise. Immerhin will Karlsruhe im
       Herbst eine Klärung herbeiführen, um neue Turbulenzen zu begrenzen.
       
       12 Sep 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christian Rath
       
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