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       # taz.de -- Europarechtliches Mandat geprüft: EZB soll vors Verfassungsgericht
       
       > Nach der Klage ist vor der Klage. Das Bundesverfassungsgericht will nun
       > klären, ob sich die EZB an ihr europarechtliches Mandat hält.
       
   IMG Bild: Schick bei Nacht: Euro-Skulptur vor der EZB in Frankfurt am Main.
       
       KARLSRUHE taz | Kaum ist die eine Schlacht geschlagen, bereitet sich das
       Bundesverfassungsgericht auf die nächste vor. Noch in diesem Herbst soll in
       Karlsruhe eine neue mündliche Verhandlung zur Euro-Rettung stattfinden.
       Dann wird nicht nur über die Klagen gegen den ESM-Vertrag in der Hauptsache
       verhandelt, sondern auch über die Rettungspolitik der Europäischen
       Zentralbank (EZB).
       
       „Präsident Voßkuhle will das Verfahren zügig vorantreiben“, sagte eine
       Sprecherin des Gerichts, auf Nachfrage der taz. Die Europäische Zentralbank
       hat letzte Woche beschlossen, in unbeschränkter Höhe Staatsanleihen
       finanzschwacher Euro-Staaten aufzukaufen, um deren Zinsen zu senken.
       
       Kläger Peter Gauweiler hatte versucht, dies noch kurzfristig zum Gegenstand
       des ESM-Verfahrens zu machen. Nach seiner Ansicht verstößt die Bank damit
       gegen ihre Befugnisse. Doch Gauweiler scheiterte jetzt mit seinem Antrag in
       Karlsruhe. Der Start des ESM-Vertrags habe nichts mit der EZB-Politik zu
       tun.
       
       Ein weiterer Kläger, der sehr konservative Rechtsprofessor Karl-Albrecht
       Schachtschneider hatte in Karlsruhe allerdings direkt gegen EZB-Maßnahmen
       geklagt. Diese Klage soll nun im Hauptsacheverfahren geprüft werden, mit
       mündlicher Verhandlung, schon in wenigen Wochen.
       
       ## Meinungswandel des Richter
       
       Noch vor einem Jahr haben die Richter eine ähnliche Klage Schachtschneiders
       als unzulässig abgelehnt. Schließlich ist das Bundesverfassungsgericht ein
       deutsches Gericht und nicht für die Auslegung von EU-Recht zuständig. Jetzt
       haben die Richter aber offensichtlich Lust auf den Konflikt und kümmern
       sich nicht mehr um Zuständigkeiten.
       
       Vielleicht ist das auch eine Reaktion darauf, dass die Bundesregierung
       erklärt hat, sie werde die EZB nicht beim Europäischen Gerichtshof (EuGH)
       verklagen. Und Gauweiler kann als Einzelperson nicht in Luxemburg klagen.
       Das Bundesverfassungsgericht müsste dann die Frage offiziell dem EuGH zur
       Entscheidung vorlegen. Das wäre ein absolutes Novum. Bisher hat Karlsruhe
       noch nie in Luxemburg um Auslegung des Europarechts gebeten.
       
       Was die Verfassungsrichter für richtig finden, haben sie an versteckten
       Stellen im Urteil schon erwähnt: Der Kauf von Staatsanleihen am
       Sekundärmarkt sei der EZB verboten - wenn er der Finanzierung von Staaten
       dient. In der Pressemitteilung des Gerichts wurde kurzfristig noch ergänzt:
       Ob sich die EZB an das Verbot halte, sei jetzt nicht zu entscheiden.
       
       12 Sep 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christian Rath
       
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   DIR Europäischer Gerichtshof
       
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