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       # taz.de -- ESM-Urteil am Bundesverfassungsgericht: Karlsruhe genehmigt ESM
       
       > Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden. Der Euro-Rettungschirm ESM
       > kann in Kraft treten – unter Auflagen. Die meisten Politiker freuen sich.
       
   IMG Bild: Urteilsverkündung am Verfassungsgericht in Karlsruhe.
       
       KARLSRUHE/BERLIN dpa/dapd/afp/rtr | Das Bundesverfassungsgericht hat die
       Mitwirkung Deutschlands am Euro-Rettungsschirm ESM und am Fiskalpakt am
       Mittwoch unter Auflagen gebilligt. Damit blieben Eilanträge mehrere Kläger
       überwiegend erfolglos. An den europäischen Aktienmärkten schnellten die
       Kurse in die Höhe, auch der Euro legte zu.
       
       Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle erklärte, die Bundesregierung müsse bei
       der Ratifizierung der Verträge nun noch völkerrechtlich sicherstellen, dass
       ihre Haftung auf 190 Milliarden Euro begrenzt ist und darüber hinausgehende
       Zahlungen in den ESM nur mit Zustimmung des Bundestags möglich sind.
       
       Darüber hinaus muss der deutsche Vertreter im ESM-Rat dem Bundestag und
       Bundesrat breite Informationsrechte einräumen und darf nicht unter Hinweis
       auf seine Rechtsstellung Informationen verweigern. Voßkuhle sagte weiter:
       „Über die Zweckmäßigkeit und Sinnhaftigkeit“ des von Bundestag und
       Bundesrat mit großer Mehrheit verabschiedeten Rettungspakets habe
       Bundesverfassungsgericht nicht zu entscheiden, dazu seien in erster Linie
       diejenigen berufen, „die direkt vom Volk gewählt sind“.
       
       SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier freut sich über die Entscheidung.
       „Damit kann der ESM endlich seine Arbeit aufnehmen, kann seinen Beitrag
       leisten für die Stabilisierung bei den Schwierigkeiten in der Euro-Zone“,
       sagte er der ARD.
       
       Die Union ist erleichtert. Michael Grosse-Brömer, Fraktionsgeschäftsführer
       von CDU und CSU, hob die Haftungsbegrenzung und die demokratische
       Mitbestimmung des Bundestages hervor. Bundeswirtschaftsminister Philipp
       Rösler (FDP) spricht von „einem guten Tag für Europa" und einem stabilen
       Bollwerk rund um den Euro.
       
       ## „Ein schöner Tag für Parlamentarier“
       
       Auch die Grünen begrüßen das Urteil. Das Urteil habe klargestellt, dass
       auch „in europäischen Angelegenheiten nichts geht ohne den Bundestag. In
       diesem Sinne ist es ein schöner Tag gerade für die Parlamentarier - auch in
       der Opposition“, sagte der Fraktionsvorsitzende Jürgen Trittin am Mittwoch
       in Berlin.
       
       Der Fraktionsvorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Gregor Gysi,
       zeigte sich zufrieden, obwohl seine Fraktion mit ihrem Antrag in Karlsruhe
       gescheitert ist. Unter anderem begrüßte er, dass der ganze Vertrag nicht
       gelten dürfe, wenn die deutschen Vorbehalte keine Wirkung hätten. Gysi
       sagte: „Haben wir doch etwas geleistet für die Demokratie, oder nicht?“
       
       ## Die „Vereinigten Schulden von Europa“
       
       Seine Parteikollegen sehen das teilweise etwas anders. „Das ist die
       Geburtsstunde der Vereinigten Schulden von Europa“, sagte der
       Bundesvorsitzende Bernd Riexinger. „Erstmals in der Geschichte sollen die
       Armen für die Schulden der Reichen blechen.“ Der Rechtsexperte der
       Linksfraktion, Wolfgang Neskovic, nannte das Urteil „mutlos und
       enttäuschend“.
       
       Die Bundesrepublik hatte bislang als einziges Euro-Land den Vertrag über
       den Europäischen Stabilitätsmechanismus noch nicht ratifiziert. Erst mit
       der Beteiligung des größten Mitgliedsstaats kann der Rettungsschirm in
       Kraft treten.
       
       Nach dem Urteil soll der ESM-Mechanismus am 8. Oktober in Kraft gesetzt
       werden, teilte Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker mit. „Ich plane, das
       erste Treffen des ESM-Gouverneursrats am Rande des Eurogruppen-Treffens am
       8. Oktober in Luxemburg einzuberufen“, erklärte er.
       
       12 Sep 2012
       
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