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       # taz.de -- Rassismus in Berliner Schule: „Ich erwarte ein klares Zeichen“
       
       > Eine Schülerin wurde von einem Lehrer als „Nigger“ beleidigt. Nun sieht
       > die Leiterin von „Schule ohne Rassismus“ die Bildungsverwaltung in der
       > Pflicht.
       
   IMG Bild: Plakat bei einer Demo in Rostock zum Gedenken an die rassistischen Auschreitungen dort im Jahr 1992.
       
       taz: Frau Kleff, an einer Steglitzer Oberschule hat ein Lehrer eine
       Schülerin als „Nigger“ beschimpft. Die Schülerin hat Anzeige erstattet, der
       Lehrer fällt nicht das erste Mal auf. Wieso darf er noch unterrichten? 
       
       Sanem Kleff: Weil die bisherigen rechtlichen Schritte leider kein anderes
       Ergebnis ermöglichen. Herr S. ist ein besonderer Fall, dessen Klärung ein
       gesellschaftliches Interesse ist. Ich erwarte von der Schulsenatorin ein
       ganz klares Zeichen: Sie sollte alle juristischen, disziplinarrechtlichen
       und politischen Mittel einsetzen, um deutlich zu machen, dass
       Rechtsextremismus und Rassismus an Berliner Schulen nicht geduldet werden.
       Herr S. wird bald pensioniert, dieses Problem sollte nicht durch
       Zeitverstreichen gelöst werden. Die Senatorin muss jetzt handeln. Es geht
       hier um keine Kleinigkeit, sondern um das Selbstverständnis der Berliner
       Schulen. Das Schulgesetz lässt ein Verhalten, wie es Herrn S. vorgeworfen
       wird, nicht zu.
       
       Was macht den Fall so besonders? 
       
       Karl-Heinz S. ist ein Geschichtslehrer, der seit 20 Jahren, gleich an
       welcher Schule er auftaucht, immer wieder ähnliche Reaktionen hervorruft.
       Schüler und Eltern werfen ihm rechtsextreme Positionen wie
       Holocaust-Leugnung vor. Er habe Auschwitz als Arbeitslager dargestellt und
       andere antisemitische und rassistische Positionen vertreten.
       
       Rechtlich lässt sich das doch verfolgen. 
       
       Es gab ein Rechtsverfahren gegen Herrn S. zu einem ähnlichen Fall. Das ist
       allerdings gescheitert, weil die Zeugenaussagen von Schülern und Eltern
       angeblich nicht belastbar genug seien. Die Gerichte müssten die
       Anschuldigungen ernster nehmen. Natürlich gilt für Herrn S. die
       Unschuldsvermutung und er muss die Vorwürfe vor Gericht klären lassen
       dürfen. Die juristische Schiene hat uns bisher nicht weitergebracht. Dieser
       Lehrer hat wegen des Verfahrens mehrere Jahre nicht gearbeitet, aber
       dennoch die vollen Bezüge gekriegt. Jetzt gibt es laut Medienberichten
       sogar schon Solidaritätsbekundungen von Lehrern mit ihm. Es droht, dass er
       zu einem Märtyrer stilisiert wird.
       
       Hat die Schulverwaltung nicht noch andere Mittel, den Mann loszuwerden? 
       
       Wenn das das Ende der disziplinarrechtlichen Möglichkeiten ist, wird das
       Disziplinarrecht der Schulverwaltung Berlins zu einem zahnloser Tiger.
       Gerade bei Rassismus müssten solche Instrumente doch greifen! Die Gerichte
       haben klar formuliert, dass er durch seine Aussagen seinen Bildungsauftrag
       verletzt. Er durfte trotzdem weiter unterrichten. 
       
       Ist das ein Einzelfall oder kommt das an Berliner Schulen häufiger vor? 
       
       In dieser extremen Form ist Herr S. ein Einzelfall. Der Fall beschäftigt
       uns seit Jahrzehnten, das ist eine Farce. Herr S. macht die
       Senatsschulverwaltung, die Eltern und Schüler zu einer Lachnummer.
       
       Gibt es Formen von Rassismus, die häufiger vorkommen? 
       
       Das ist meist ganz „normaler“ Rassismus. Es sind Lehrer, die zu arabischen
       Schülern sagen, dass ihre Eltern zu viele Kinder bekommen. Es kommen auch
       homophobe Äußerungen vor, wo Ausdrücke wie „schwule Sau“ verharmlost
       werden.
       
       Was können die Schulen gegen Rassismus im Alltag tun? 
       
       Die Schulen müssen eine klare Haltung vermitteln: Rassismus wird an unserer
       Schule nicht geduldet. Wenn so ein Schulklima existiert, wird sich jeder
       Einzelne fünfmal überlegen, ob er sich rassistisch äußert. Schüler, deren
       Lehrer sich entsprechend äußern, sollten einen Vertrauenslehrer aufsuchen,
       der sensibel für das Thema ist, oder eine Gruppe von „Schule ohne
       Rassismus“.
       
       Was tut „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“? 
       
       Wir sind ein Netzwerk von etwa 1.200 Schulen in ganz Deutschland, in Berlin
       sind es mehr als 50. An diesen Schulen haben 70 Prozent aller Menschen die
       Erklärung von „Schule ohne Rassismus“ unterschrieben. Sie verpflichten sich
       nicht nur, jegliche Diskriminierung abzulehnen, sondern auch aktiv zu
       werden, wenn Rassismus stattfindet. Wir wollen Verantwortung und eine
       Kultur des Hinguckens an die Schulen bringen.
       
       10 Sep 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Laurence Thio
       
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