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       # taz.de -- Organspende-Skandal: Privatversicherte ohne Vorteil
       
       > Die Stiftung Eurotransplant legt erstmals interne Zahlen offen. Sie
       > widerlegen den Vorwurf, Privatpatienten würden bei der Organspende
       > bevorzugt.
       
   IMG Bild: Eine Niere wird entnommen.
       
       BERLIN taz | Werden privat versicherte Patienten bei der Vergabe von
       lebensrettenden Spenderorganen bevorzugt? Der Vorwurf sorgte vorige Woche
       für [1][Schlagzeilen]. Jetzt geht die Stiftung Eurotransplant, die die
       Organvergabe verantwortet, in die Offensive: „Eine systematische
       Bevorzugung von privat Versicherten durch die Verteilungsregeln oder durch
       Eurotransplant ist nicht gegeben“, sagt der Medizinische Vorstand, Axel
       Rahmel.
       
       Der taz legte Rahmel internes Datenmaterial offen. Dieses ermöglicht
       erstmals einen methodisch seriösen Vergleich zwischen dem Anteil der
       Privatversicherten auf der Warteliste im Jahr 2011 einerseits – und dem
       Anteil der Privatversicherten bei der tatsächlichen Organvergabe 2011
       andererseits. Das Ergebnis: Im Jahr 2011 erhielten tatsächlich mehr
       Privatversicherte ein Organ, als man nach ihrem Anteil auf der Warteliste
       hätte annehmen können.
       
       So lag der Anteil der Privatversicherten auf der Warteliste für Herzen bei
       8,6 Prozent, bei der tatsächlichen Organvergabe jedoch bei 10,9 Prozent.
       Ähnlich verhielt es sich bei den Lungen (8,1 zu 9,5 Prozent) und bei den
       Lebern (8,9 zu 13,1 Prozent). Nieren und Bauchspeicheldrüsen waren bei
       diesem Vergleich eher unauffällig.
       
       Aus diesen Zahlen aber zu schlussfolgern, dass es eine Bevorzugung der
       Privaten gebe, sei haltlos, warnt Rahmel: „Aus der Zusammensetzung der
       Warteliste kann nicht unmittelbar auf die Verteilung geschlossen werden.“
       
       Der Versichertenstatus eines Patienten etwa werde nur einmalig erfasst –
       bei seiner Aufnahme durch ein Transplantationszentrum auf die Warteliste.
       Bis zur tatsächlichen Transplantation vergehen aber oft Jahre. Ändert sich
       der Versichertenstatus während dieser Zeit, bleibt das unberücksichtigt.
       Das kann zu statistischen Verzerrungen führen.
       
       ## Versicherungsstatus taucht nicht auf
       
       Auf der so genannten „Matchliste“ wiederum, nach der Eurotransplant die
       Organe vergibt, taucht der Versichertenstatus dann gar nicht mehr auf – um
       eine etwaige Bevorzung auszuschließen. Verteilt werden soll nämlich
       ausschließlich nach Kriterien wie Dringlichkeit und Erfolgsaussicht der
       Transplantation. Wie viele Privatversicherte tatsächlich ein Organ erhalten
       haben, melden dann erst die Transplantationszentren an Eurotransplant
       zurück.
       
       Bleibt die Frage, ob die Zentren tricksen. Theoretisch möglich wäre dies
       bei Organen, die im beschleunigten Verfahren vergeben werden. Hier dürfen
       die Ärzte die Patienten selbst auswählen. Die Eurotransplant-Zahlen stützen
       diese These allerdings nicht. So lag 2011 etwa bei den Lebern der Anteil
       Privatversicherter ausgerechnet im beschleunigten Verfahren mit 11,4
       Prozent niedriger als im streng kontrollierten Standardverfahren mit 14,1
       Prozent (verteilte Lebern an Privatversicherte insgesamt, wie gesagt: 13,1
       Prozent).
       
       Darüber hinaus war der so genannte MELD-Score – ein Punktesystem, das
       anhand mehrerer Laborwerte ausrechnet, wie dringend ein Patient ein Organ
       braucht – bei privat und gesetzlich Versicherten im Jahr 2011 mit 32
       Punkten im Mittel gleich hoch. Vereinfacht gesagt: Auch Privatversicherte
       bekamen erst dann eine Leber, wenn sie 32 Punkte erreichten, nicht etwa
       schon mit 25 oder 29 Punkten.
       
       Und schließlich, so Rahmel, liege die Sterblichkeit von Privatversicherten
       auf der Warteliste seit Jahren gleich hoch oder höher als die von
       gesetzlich Versicherten – auch dies sei ein Indiz dafür, dass
       Privatversicherte nicht bevorzugt würden.
       
       Ist die überproportionale Häufigkeit von Privatpatienten bei der
       Organvergabe also eher nur Zufall? Rahmel: „Eine der möglichen Ursachen,
       warum privat Versicherte überproportional häufig bezogen auf ihren Anteil
       auf der Warteliste einen hohen MELD-Score aufweisen, könnte eine
       unterschiedliche Verteilung der Grunderkrankungen zwischen den
       Patientengruppen sein.“ Auch der Zeitpunkt der Aufnahme auf die Warteliste
       könne eine Rolle spielen. Daten hierzu habe Eurotransplant nicht.
       
       10 Sep 2012
       
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