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       # taz.de -- Plakate des Innenministeriums: Extrem zwiespältig
       
       > Eine Plakat-Kampagne des Innenministers sorgt für Ärger. Muslime fordern
       > einen Stopp der Aktion und kündigen ihre „Sicherheitspartnerschaft“ auf.
       
   IMG Bild: Steckbrief, der eine ganze Minderheit stigmatisiert?
       
       BERLIN taz | „Sind die gut oder sind die gut?“, jubelte Abteilungsleiter
       Stefan Kaller, als er am Freitag vor Journalisten die Plakate präsentierte,
       mit denen das Innenministerium einer islamistischen Radikalisierung von
       Jugendlichen vorbeugen möchte.
       
       An der Fensterreihe im zwölften Stock des Ministeriums in Berlin standen
       die Motive aufgereiht. Mehrmals betonten die Ministerialbeamten, wie sehr
       sie sich freuten, bei der Aktion auch die islamischen Verbände im Boot zu
       haben. „Uns ist wichtig, dass wir das mit und nicht gegen die Muslime
       machen“, sagte Kaller.
       
       Ebendiese Verbände fordern das Ministerium jetzt auf, die Plakataktion zu
       stoppen. In einer gemeinsamen Erklärung teilten der Verband der Islamischen
       Kulturzentren VIKZ, der Zentralrat der Muslime in Deutschland, der Verband
       Ditib und die Islamische Gemeinschaft der Bosniaken mit, sie hätten die
       Kampagne bereits im Anfangsstadium stark kritisiert.
       
       Die Einwände seien aber nicht aufgegriffen worden, die endgültigen Plakate
       habe man bis zur Veröffentlichung nicht gesehen. Unter diesen Umständen
       ergebe die „Sicherheitspartnerschaft“ mit dem Innenministerium keinen Sinn
       mehr.
       
       ## Beratungshotline gegen Radikalisierung
       
       Mit der 300.000 Euro teuren Kampagne will Innenminister Hans-Peter
       Friedrich (CSU) auf eine Beratungshotline für Angehörige von in den
       Islamismus abdriftenden Jugendlichen aufmerksam machen. Auf den Plakaten
       sind junge Männer und Frauen abgebildet, die Namen wie Ahmad, Fatima,
       Hassan oder Tim tragen.
       
       „Wir vermissen ihn, denn wir erkennen ihn nicht mehr“, steht darunter. „Wir
       haben Angst, ihn ganz zu verlieren – an religiöse Fanatiker und
       Terrorgruppen.“ Es folgt die Telefonnummer der Anfang des Jahres
       eingerichteten Beratungsstelle Radikalisierung. Von Mitte September an
       sollen die Motive in Migrantenvierteln in Berlin, Hamburg und Bonn
       plakatiert werden, auf Facebook läuft die Kampagne schon.
       
       Die Leiterin der Bundes-Antidiskriminierungsstelle, Christine Lüders,
       äußerte sich „befremdet“ über die Aktion. „Die Motive wecken den Anschein
       der Stigmatisierung einer ganzen Gruppe“, sagte sie. Die Aktion schüre
       „Ängste gegenüber Muslimen“, findet auch der Vorsitzende des Islamrats, Ali
       Kizilkaya.
       
       „Solange Muslime als potenzielle Gefahr dargestellt werden, so lange wird
       man auch Angst vor Muslimen schüren und Islamophobie stärken.“ Kritik
       hatten zuvor schon die Türkische Gemeinde in Deutschland und die FDP
       geäußert. „Hans-Peter Friedrich taugt nur noch als Diskri-Minister“, unkte
       jetzt der Grünen-Politiker Volker Beck.
       
       Im Innenministerium ist man nun überrascht ob der massiven Kritik. Dort
       heißt es, die Motive seien kurz vor Start der Kampagne dem Zentralrat der
       Muslime, Ditib und anderen Verbänden vorgestellt und von diesen als „gut
       geeignet“ bezeichnet worden. Man sei selbstverständlich bereit, Einwände
       aufzugreifen, so eine Sprecherin. An der Kampagne halte man aber fest.
       
       30 Aug 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR D. Bax
   DIR W. Schmidt
       
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