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       # taz.de -- Geheimprojekt des Pentagon: Killerkommandos gegen Drogenbosse
       
       > Waffen statt Entwicklungspolitik: Im Kampf gegen Drogen aus Mittelamerika
       > setzen die USA auf Soldaten und Drohnen. Damit treffen sie oft die
       > Falschen.
       
   IMG Bild: Schlagen schnell und tödlich zu: US Navy SEALs im Training.
       
       SAN SALVADOR taz | Am 19. Februar dieses Jahres dachten die
       Verantwortlichen der US-amerikanischen Antidrogenbehörde DEA, es sei
       endlich so weit: Ihre Agenten in Mexiko hatten herausgefunden, dass Joaquín
       Guzmán, genannt El Chapo, ein paar Tage in einem Strandhaus in Baja
       California verbrachte. Der Mann, so das US-Wirtschaftsmagazin Forbes, ist
       „der größte Drogenlord aller Zeiten“. Die Justizbehörden der USA hatten ein
       Kopfgeld von 5 Millionen US-Dollar auf ihn ausgesetzt.
       
       Die Schnüffler der DEA steckten ihre Informationen den mexikanischen
       Behörden, doch als die zuschlugen, war El Chapo bereits entwischt. Der
       gescheiterte Verhaftungsversuch war bereits der sechste. Einen siebten soll
       es nicht geben. Das nächste Mal will das US-Militär selbst zuschlagen.
       
       Dahinter steckt ein Geheimplan des Pentagons: Eine SEAL genannte
       Spezialkampftruppe der Marine soll Guzmán in einer klandestinen Operation
       zur Strecke bringen, tot oder lebendig – nach dem Vorbild des Überfalls auf
       einen Wohnkomplex im pakistanischen Abbottabad, bei dem am 2. Mai 2011 der
       Al-Qaida-Chef Osama bin Laden erschossen wurde.
       
       Mexikos Präsident Felipe Calderón hatte zunächst Interesse an der Operation
       signalisiert. Dann aber beriet er sich mit seinen Generälen –und stieß auf
       offenen Widerstand. Eine selbstständige Militäroperation der USA auf
       mexikanischem Boden zu genehmigen, argumentierten sie, sei glatter
       Verfassungsbruch. Calderón schreckte zurück. Der Plan ist damit nicht
       gestorben.
       
       ## Leicht zu kontrollieren
       
       Am 1. Dezember tritt Calderóns bereits gewählter Nachfolger Enrique Peña
       Nieto sein Amt an. Er ist viel leichter unter Druck zu setzen: Ihm und
       seiner Partei der institutionalisierten Revolution (PRI) werden beste
       Kontakte zur Drogenmafia nachgesagt. Lehnt auch er den US-Eingriff ab,
       könnte dies als Bestätigung seiner Nähe zu den Kartellen ausgeschlachtet
       werden. Mexikanische Militärs haben nun Details der geplanten
       Geheimoperation dem mexikanischen Nachrichtenmagazin Proceso zugespielt,
       US-Militärs haben sie bestätigt.
       
       Der Mann, den die USA im Visier haben, ist Joaquín Guzmán, einer der beiden
       Chefs des Sinaloa-Kartells. Im gleichnamigen Bundesstaat bewegt er sich wie
       in seinem Wohnzimmer. Dort soll er auch geschnappt werden.
       
       An der Aktion sollen drei kleine SEAL-Einheiten beteiligt sein. Die
       Abkürzung steht für „Sea, Air, Land“ – die Truppe ist für Einsätze auf dem
       Wasser, in der Luft und an Land trainiert. Die drei Gruppen sollen in
       Helikoptern eingeflogen und von drei mit Raketen bestückten
       Aufklärungsdrohnen unterstützt werden.
       
       Während zwei SEAL-Gruppen von den Drohnen dirigiert auf dem Boden gegen das
       Versteck des Kartellchefs vorrücken, so der Plan, bleibt die dritte in der
       Luft, als Verstärkung im Notfall. Wenn alles klappt, dauere der eigentliche
       Zugriff nicht mehr als 15 Minuten. Sollte Guzmán Widerstand leisten, werde
       er erschossen. Im Falle einer offenen Schlacht können die Drohnen mit ihren
       Raketen eingreifen.
       
       ## Operation Hammer
       
       Die Strategie, mit kleinen beweglichen Einheiten in den Krieg gegen die
       Drogenkartelle zu ziehen, gilt seit Januar für ganz Mittelamerika. Seither
       läuft die sogenannte Operation Martillo (deutsch: Hammer), die in
       Guatemala, Honduras, El Salvador, Costa Rica und Panamá Drogenhändlern den
       Garaus machen soll. Durch diesen Korridor werden rund 90 Prozent des für
       die USA bestimmten Kokains transportiert, mindestens zwei Drittel davon
       durch Honduras.
       
       Die DEA hat an der unwegsamen honduranischen Atlantikküste in den
       vergangenen Monaten drei Forts nach dem Vorbild der US-Außenposten in
       Afghanistan aufgebaut. Sie betreibt sie gemeinsam mit heimischen
       Polizisten. Offiziell hat die US-Armee damit nichts zu tun: die Helikopter
       dieser Einheiten werden vom Außenministerium finanziert und von
       guatemaltekischen Vertragspiloten geflogen. Schießen dürfen nur Honduraner.
       DEA-Beamte beraten und sollen nur zur Waffe greifen, wenn ihr eigenes Leben
       direkt bedroht ist.
       
       Wie in Afghanistan kommt es auch in Honduras zu tödlichen Verwechslungen.
       So hatte am 11. Mai ein Aufklärungsflugzeug am Río Patuca ein
       Drogenflugzeug entdeckt, dessen Ladung gerade auf ein Boot umgeladen wurde.
       Vier Helikopter des nächstgelegenen Außenpostens stiegen auf, nahmen aber
       nicht die Drogentransporteure unter Beschuss, sondern ein Boot mit 13
       Miskito-Indianern, die von einer Einkaufsfahrt in ihr Dorf Ahuas
       zurückkamen. Zwei Männer und zwei schwangere Frauen wurden getötet, fünf
       weitere wurden verletzt. DEA-Männer waren mit an Bord der Kriegsmaschinen,
       haben aber angeblich nicht selbst geschossen.
       
       Das taten sie erst später, am 25. Juni und am 3. Juli, und ebenfalls mit
       tödlichem Ausgang. Ende Juni hatte ein Eingreifkommando Drogenhändler beim
       Entladen eines Kleinflugzeugs ertappt. Vier der Männer ließen sich
       widerstandslos festnehmen. Ein fünfter aber habe eine Bewegung gemacht, als
       wolle er nach einer Waffe greifen. Da habe der DEA-Mann in
       Selbstverteidigung geschossen.
       
       Der Vorfall von Anfang Juli sollte zunächst vertuscht werden. Nach dem
       Absturz eines Drogenflugzeugs seien die beiden Piloten verhaftet worden,
       hieß es in einer ersten Mitteilung. Einer sei seinen Verletzungen erlegen.
       Erst später gab DEA-Sprecherin Dawn Dearden zu, dass der Verletzte von
       einem ihrer Männer erschossen worden war. In Selbstverteidigung, versteht
       sich. Der Mann habe „eine drohende Geste gemacht“.
       
       ## Verwechselt und vertuscht
       
       Verwechslungen wie die im Miskito-Dorf Ahuas können sich jederzeit
       wiederholen. Die Gegend ist bitterarm, für eine Handvoll Dollars hilft man
       gern beim Verladen von Kokain. Die Kartelle nutzen die Not gezielt, sagt
       UNO-Berater Eduardo Buscaglia. Das Geschäft mit den Drogen wird dort Teil
       des Alltags. Es sei schwer zu entscheiden, wer dazugehört und wer nicht.
       Mit militärischen Schlägen jedenfalls komme man nicht dagegen an,
       allenfalls mit gezielter Entwicklungspolitik.
       
       Selbst wenn ein Kommando Guzmán erledigen sollte, sei das kein Erfolg,
       sondern nur ein Toter mehr. „El Chapo ist nur der Geschäftsführer und kann
       sofort ersetzt werden“, sagt Buscaglia. Die eigentlichen Besitzer der
       Kartelle „sind Hunderte von Politikern und Geschäftsleuten, die alle ganz
       legal leben“. Nicht nur im Dschungel von Honduras, auch ganz oben sind die
       Grenzen fließend.
       
       29 Aug 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR T. Keppeler
   DIR C. Romero
       
       ## TAGS
       
   DIR Mexiko
       
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