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       # taz.de -- Alkohol an Tankstellen: Es geht um Freiheit, nicht um Bier
       
       > In Bayern lieben sie Regeln. Ein neues Gesetz schränkt den Verkauf von
       > Alkohol ein. Das schützt zwar keine Jugendlichen, dafür aber Gastwirte.
       
   IMG Bild: So gastlich können Tankstellen sein. In Bayern kommt genau das Gegenteil.
       
       BERLIN taz | Jetzt ist's im Freistaat auch soweit: Im Land von Hopfen und
       Malz wird der nächtliche Verkauf von Alkohol eingeschränkt. Seit fast 500
       Jahren ist das bayerische Reinheitsgebot für Brauer bindend, hat doch das
       Bier als wichtiges Exportgut weltweit deutsche Berühmtheit erlangt. Aus und
       vorbei – zumindest nach 20 Uhr.
       
       Es ist schon das zweite Bundesland, in Baden-Württemberg darf seit 2010
       weder an Tankstellen, Kiosken noch in Supermärkten nachts Alkohol verkauft
       werden. Ich komme aus dem Bergischen Land, zwischen Rheinland und Ruhrpott.
       Für mich war der Umzug ins „Ländle“ vor gut einem Jahr ein Kulturschock,
       die erste Frage, die mein Nachbar mir stellte, war: „Hasch Kehrwoch' scho
       ket?“ (Hast Du schon Kehrwoche gehabt?) - in Baden-Württemberg etwas
       Selbstverständliches: die Herstellung von Ordnung durch Regeln.
       
       Da wären die samstäglichen Rasenmäh-Sessions, immer einer nach dem anderen.
       In NRW hat außer Autos und Menschen fast alles den „gelben Punkt“ und darf
       ohne schlechtes Gewissen entsorgt werden, nicht jedoch im Schwabenland. Man
       kann sich von nichts trennen, weil „dees duads no!“. Und auch die lauen
       Grillabende am Neckar sind wegen vermeintlicher Lärmbelästigung der
       Reglementierungswut zum Opfer gefallen. Soweit so gut.
       
       Das mit dem Alkoholverbot war mir entgangen. Und so peilten ich und zwei
       Freunde nach einem enttäuschenden Spiel des ersten FC gegen den TSG
       Hoffenheim (Köln verlor 0:1) mit unserer Klapperkiste die erste Tanke an
       der A 8 in Richtung Stuttgart an. Ein Trostbierchen für zu Hause, das
       hatten wir uns verdient. An der Kasse jedoch sank die Stimmung dann auf den
       Nullpunkt: „Des geht ned“, sagte der Tankwart und deutete auf die
       Plastikuhr an der Wand, und dann auf ein Schild, wo die neuen Richtlinien
       zu lesen waren. „Es isch 'firdlelfe“ (22.15 Uhr). Wir erklärten wir wollten
       nur drei Fläschchen, aber mit ihm war nicht zu reden. Die Kasse würde genau
       vormerken, wann was verkauft werde. „Des isch kontrolliert“, hieß es. Und
       an einem Kiosk hätten wir sowieso keine Chance, rief er uns noch hinterher.
       
       ## Geraubte Freiheit
       
       Ich war außer mir. Nicht, weil ich ohne Alkohol nicht glücklich bin – ich
       trinke gelegentlich, mal hier einen Wein zum Essen. Oder eben ein Bier zum
       Fußball. Es ging gar nicht mehr ums Bier. Ich fand es einfach
       unvorstellbar, dass Baden-Württemberg mir vorschreiben will, wann ich mein
       Bier trinke und wann nicht. Ich rief noch „Freiheitsberaubung“ zurück - als
       ob ich das nicht selbst entscheiden könnte.
       
       Besonders irrwitzig war aber dann, dass wir uns am nächsten Tag sofort
       einen Kasten für zu Hause gekauft haben – „falls man mal will, dass dann
       auch was da ist“. Und wenn der Kasten schon Mal im Schrank steht..., nun
       ja. Eines ist jedenfalls sicher: Jugendliche Komasäufer hält so ein Verbot
       nicht ab. Wer trinken will, beschafft sich was. Schließlich lassen sich die
       Alcopops ganz wunderbar vor acht Uhr in Mengen kaufen, die dann danach in
       feuchtfröhlicher Runde geleert werden.
       
       Die Bayern wollen sich wahrscheinlich einfach nicht nachsagen lassen,
       irgendeine Regel verpasst zu haben. Denn der besondere Clou der Neuregelung
       ist, dass Tankstellen Alkohol nur noch an Reisende – sprich Autofahrer –
       verkaufen?! Und das nur in bestimmten Mengen. Fußgänger und Fahrradfahrer
       kriegen überhaupt keinen Alkohol zu später Stunde. Wer dagegen verstößt,
       zahlt 500 Euro Strafe.
       
       Und hier besonders sinnvoll: Weil sie schon keine Reisenden sind und keinen
       Alkohol kaufen dürfen, können Nicht-Autofahrer an Bayerns Tankstellen
       abends gleich gar nichts mehr kaufen. Dieser Logik hat wohl selbst
       Baden-Württemberg nichts mehr hinzuzufügen.
       
       Eine gute Sache hat es aber doch: Die vom Rauchverbot gebeutelten
       Bierzelt-Wirte können wenigstens jetzt wieder auf regen Trinkbesuch
       vonseiten aller trinkfreudigen Fahrradfahrer und Fußgänger hoffen.
       
       28 Aug 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Barbara Opitz
       
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   DIR Alkoholverbot
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