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       # taz.de -- Niedersachsens Spitzenkandidat über Piraten: „Wir sind ein Team“
       
       > Niedersachsens Piratenpartei hat endlich einen Spitzenkandidaten.
       > Meinhart Ramaswamy über Demokratie, Anthroposophie und Technik.
       
   IMG Bild: „Denke schon, dass es diesmal dabei bleibt“ – Meinhart Ramaswamy.
       
       taz: Herr Ramaswamy, herzlichen Glückwunsch zu Ihrem Sieg. Bleiben Sie denn
       diesmal auch Spitzenkandidat? 
       
       Meinhart Ramaswamy: Oh, danke der Nachfrage. Ja, ich denke schon, dass es
       diesmal dabei bleibt: Es ist ja auch eine Bestätigung des Parteitags von
       Nienburg. Und ich glaube, wir haben es diesmal so gemacht, dass
       Anfechtungen ins Leere laufen.
       
       Die gibt es aber wieder? 
       
       Bislang habe ich noch nichts gehört. Wir haben unser Verfahren vorab durch
       Anwälte prüfen lassen, damit wir nicht an Formfehlern scheitern.
       
       Ist das nicht extrem frustrierend, wenn eine Partei, die antritt, die
       Demokratie zu erneuern, sich bei der einfachen Übung blamiert, eine Liste
       aufzustellen? 
       
       Eine so leichte Übung ist das nicht, wenn man es basisdemokratisch
       organisieren will. Wenn Schlangen von bis zu 300 Leuten vor den
       Akkrediteuren stehen, kann es auch mal zu einer Panne kommen. Diesmal haben
       wir jeden Ausweis kontrolliert, alle Adressen überprüft – das macht so
       keine andere Partei. Nur da ficht eben auch keiner an.
       
       Erleichtert Ihr knapper Vorsprung an Stimmen Ihre Aufgabe als
       Spitzenkandidat? 
       
       Ich bin erst mal froh, dass der Parteitag eine Reihenfolge geklärt hat –
       weil wir die brauchten. Die einzelnen Ergebnisse sind für uns nicht so
       wichtig, weil wir uns als Team verstehen.
       
       Das ist immer schlau, das nachträglich so zu deklarieren… 
       
       Das haben wir von Anfang an signalisiert, auch vor der Wahl: Schon in
       Nienburg hatten Chris Koch und ich das gesagt – und jetzt auch in den
       Kurzvorstellungen noch einmal: Wir sind ein Team, und zwar nicht nur das
       Dreierteam von Katharina Nocun, Chris und mir, das ja sehr nah beieinander
       ist, sondern diese ganze erste Gruppe, die gewählt worden ist, die
       sogenannten „sicheren Kandidaten“. Wir wollen das gemeinsam stemmen – und
       werden auch viele Termine zusammen wahrnehmen.
       
       Um nach einem halben Jahr parteiinternem Streit nun besonders harmonisch zu
       wirken? 
       
       Wenn Sie unter Dauerstreit verstehen, dass zehn Leute großen Ehrgeiz
       entwickeln, alles zu torpedieren, stimmt Ihre Darstellung – aber nur dann:
       Unter den Kandidaten gab es keinen Dissens. Und auch in sich ist die Partei
       recht geschlossen: Es sind ja fast dieselben Leute wieder gewählt worden
       wie im Frühjahr.
       
       Wobei es überraschend wirkt, dass Sie bei den technikbegeisterten Piraten
       so gut ankommen – obwohl Sie doch aus der Anthroposophen-Ecke stammen… 
       
       Das ist kein Widerspruch: Rudolf Steiner hat gesagt, dass der richtige
       Anthroposoph zeitgemäß sein muss. Und IT-Technik gehört nun mal zu dieser
       Zeit ganz eindeutig dazu.
       
       Zweifellos.
       
       Ich besitze seit 1984 einen PC, ich habe 1986 angefangen, mit
       Akustik-Koppler das Internet zu benutzen. Das heißt: Da gibt’s keine
       Distanz. Es ist halt ein Instrument, genauso wie ein Auto oder ein Kuli.
       
       Im Grunde liest sich das trotzdem wie eine klassische Grünen-Vita. 
       
       Ja, das könnte man sagen.
       
       Ist es aber nicht geworden. 
       
       Ich bin mal von einem Journalisten gefragt worden: Erschreckt Sie die
       Entwicklung der Grünen? Da habe ich nur ganz knapp geantwortet: Ja.
       
       Interessant wäre aber zu wissen, warum? 
       
       Weil sie eigentlich von allen basisdemokratischen Ideen Abstand genommen
       haben. Ich erlebe die Grünen – zum Beispiel hier im Stadtrat – oft so, dass
       sie im Gespräch ganz andere Positionen vertreten als bei den Abstimmungen.
       Da heißt es dann: Jaja, es ist wirklich unmöglich, den kulturellen oder
       sozialen Einrichtungen Geld wegzunehmen. Es wird dann aber doch zugestimmt,
       angeblich, weil es keine andere Möglichkeit gibt. Oder die Frist beim
       Atomausstieg – die hätte viel kürzer sein müssen. Dass die Grünen dazu Ja
       gesagt haben, finde ich enttäuschend – und erschreckend, dass so etwas
       stets mit einer vermeintlichen Alternativlosigkeit begründet wird. In der
       Politik gibt es immer Alternativen. Um das klarzumachen, dafür gibt es die
       Piraten.
       
       Bloß: Was wollen Sie auf Länderebene bewirken? 
       
       Ich persönlich bin ein großer Anhänger von dezentralen Strukturen: Ich habe
       mich bewusst nicht auf eine Liste für die Bundestagswahl beworben, weil ich
       denke, dass man in der Landespolitik ein ganzes Stück näher an den Menschen
       dran ist, um die es geht. Und innere Sicherheit, die sozialen Gegebenheiten
       oder Bildungspolitik, das sind alles Themen, die kann ich mindestens gut
       vorbereiten und stützen im Lande.
       
       Gerade in der Schulpolitik rudern Sie radikal gegen den Trend, wenn Sie
       Schulen die Entscheidung über die Lehrpläne übergeben wollen. 
       
       Das ist richtig: Uns geht es um freie Gestaltung der pädagogischen Methodik
       und Inhalte. Das ist so.
       
       Aber alle klagen über den bildungspolitischen Flickenteppich Deutschland!
       Ist das eine kluge Idee? 
       
       Ja, die ist klug – und ich kann darüber ganz gut sprechen, weil ich als
       Lehrer und Dozent Erfahrung in allen Bereichen und Schulformen des
       deutschen Bildungssystems habe, bis hin zur Erwachsenenbildung – und durch
       meine Kinder auch die andere Seite kenne. Das, was jetzt Flickenteppich
       heißt, kann man auch Vielfalt nennen, und das hat uns lange Zeit überhaupt
       nicht geschadet.
       
       Na ja, aber die Vergleiche… 
       
       Nein, Deutschland hat jede Menge Nobelpreisträger hervorgebracht, obwohl
       die nicht die gleiche Abi-Arbeit geschrieben und in der siebten Klasse alle
       dasselbe Buch gelesen haben. Daran wird Kreativität nicht entschieden. Ich
       erlebe an meinen Kindern, dass alles immer verschulter wird, dass das
       Auswendiglernen irgendwelcher Inhalte, die der Lehrer gerade gerne hören
       will, der beste Weg zu guten Noten ist. Ich bin unter anderem deswegen in
       die Politik gegangen, weil ich auf meine Generation total sauer bin.
       
       Inwiefern? 
       
       Wir haben damals genau den gegenteiligen Trend erlebt. Wir haben unter
       besten Bedingungen frei lernen können, und unsere Inhalte selbst bestimmen
       – und genau die Leute, die das erlebt haben, verbrennen jetzt die
       Generation meiner Kinder, indem sie nur Druck aufbauen, der nur noch dazu
       führt, dass gemacht wird, was gang und gäbe ist. Da sind wir auf dem
       Holzweg.
       
       27 Aug 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Benno Schirrmeister
       
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