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       # taz.de -- Grundschule kooperiert mit Bundeswehr: Schutzengel für die Front gebastelt
       
       > Erst bastelten die Grundschüler Engel für deutsche Soldaten, dann
       > organisierte ihre Lehrerin eine Kooperation mit der Bundeswehr.
       > Bildungsexperten sind entsetzt.
       
   IMG Bild: Sieht nach Kinderspiel aus, ist es aber nicht: deutscher Militäreinsatz in Afghanistan.
       
       BERLIN taz | Die Schutzengel, die Schüler einer Grundschule in Gummersbach
       im Unterricht gebastelt haben, machten großen Eindruck an der Front: Die
       Soldaten im Camp in Masar-i-Scharif waren so begeistert von der
       aufmunternden Kinderpost, dass die Lehrerin jetzt eine mehrjährige
       Kooperation mit der Bundeswehr vereinbarte: Die Klasse 2b wird bis zum Ende
       ihrer Grundschulzeit den Einsatz der deutschen Truppen am Hindukusch
       begleiten.
       
       Zum Unterrichtsbeginn sagt die Lehrerin jetzt jeden Tag das Wetter in
       Afghanistan an. Beim Morgenritual sind die Schüler in Gedanken bei den
       Soldaten im fernen Afghanistan. Auch Klassenfahrten zu Veranstaltungen der
       Bundeswehr sind geplant.
       
       Solche Kooperationen zwischen Militär und Schulen sorgen für Unmut: Die
       Lehrergewerkschaft GEW hat für Ende September zu einer bundesweiten
       Aktionswoche gegen den wachsenden Einfluss der Bundeswehr auf die Bildung
       aufgerufen. Bislang hat sie dabei vor allem Wehrdienstberater im Blick, die
       Abschlussklassen über Karrieremöglichkeiten beim Militär informieren. Oder
       Jugendoffiziere, die zu Diskussionsveranstaltungen in den Politikkurs der
       Oberstufe kommen.
       
       Seit dem Ende der Wehrpflicht nähmen solche Aktionen zu, so die GEW. Dass
       allerdings schon Grundschüler mit dem Militär kooperieren, und das über
       Jahre hinweg, ist neu. Die nordrhein-westfälische GEW-Vorsitzende Dorothea
       Schäfer zeigt sich entsetzt über das Afghanistan-Projekt der Gummersbacher
       Grundschule. Der Fall sei „skandalös“: „So etwas ausgerechnet in einer
       Grundschule ist schlicht nicht in Ordnung.“
       
       Die Schule selbst möchte sich zu der Kooperation gegenüber der taz nicht
       äußern und verweist auf die Bezirksregierung Köln. Dort kann man nichts
       Schlimmes an der Zusammenarbeit finden. Das Thema habe sich in einer
       Unterrichtsreihe über „Menschen in Krisenregionen“ ergeben, erläutert
       Bezirksregierungssprecher Oliver Moritz: „Dazu zählen Soldaten, die auch
       Ängste haben.“ Er findet: „Es ist doch sehr gut, dass sich die Schüler
       damit beschäftigen, wie es deutschen Soldaten im Ausland ergeht.“
       
       ## „Einseitige Beeinflussung der Kinder“
       
       Das Afghanistan-Projekt wirft grundsätzliche Fragen auf: Ab welchem Alter
       und in welcher Form kann man Militäreinsätze, die in der Bevölkerung
       umstritten sind, im Unterricht behandeln? Wo endet Anteilnahme in einem
       Schulprojekt und wo fängt Parteinahme an? „Den Konflikt in Afghanistan kann
       ich an einer weiterführenden Schule im Sozialkundeunterricht behandeln,
       aber doch nicht mit sechsjährigen Kindern“, sagt GEW-Vorsitzende Schäfer.
       Schließlich müsste man immer die Argumente für und gegen den Einsatz
       mitbedenken. „Diese Dimension kann man an einer Grundschule einfach nicht
       erfassen.“ Sie vermutet daher eine „einseitige Beeinflussung der Kinder“.
       
       Oliver Moritz weist das von sich. Er glaubt nicht, dass man den
       Afghanistan-Einsatz im Unterricht so weitreichend diskutieren müsste: Die
       Schüler befassten sich mit Menschen, die ein „aufmunterndes Wort“
       gebrauchen könnten – mehr nicht. Die Kontroverse um den Afghanistan-Einsatz
       – für eine Schulklasse müsse das kein Thema sein. „Der Bundeswehreinsatz
       ist außerdem durch den Bundestag legitimiert.“
       
       Dorothea Schäfer von der GEW bezweifelt, dass eine langjährige Kooperation
       mit der Bundeswehr so einfach heikle Fragen ausklammern kann. „Ich weiß
       nicht, was die Lehrerin macht, wenn eines Tages Särge nach Deutschland
       kommen.“ Bisher, das hat jedenfalls ein Junge der Lokalzeitung verraten,
       ist noch nichts passiert: „Seit unsere Engel in Masar-i-Scharif angekommen
       sind, ist kein deutscher Soldat mehr zu Tode gekommen.“
       
       27 Aug 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bernd Kramer
       
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