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       # taz.de -- Kommentar Gedenken in Rostock: Deutschland schaut weg
       
       > Joachim Gauck forderte beim Gedenken in Rostock, das Pogrom „immer wieder
       > zu betrachten“. Doch ARD und ZDF zogen es vor, das Ereignis großzügig zu
       > übergehen.
       
       Schön wär’s. Mit Verve hat Joachim Gauck am Sonntag in Rostock-Lichtenhagen
       von der Verpflichtung gesprochen, die Krawalle von vor zwanzig Jahren nicht
       in Vergessenheit geraten zu lassen, sondern sie „immer wieder zu
       betrachten, zu analysieren, um aus den Fehlern und Versäumnissen von damals
       zu lernen“. Fragt sich, an wen er dabei gedacht hat.
       
       An den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten ging sein Appell jedenfalls
       vorbei. Denn ARD und ZDF zogen es mehrheitlich vor, das Gedenken an das
       Pogrom von Rostock-Lichtenhagen großzügig zu übergehen. Hätte der
       Spartensender Phoenix dem Anlass nicht vor ein paar Tagen einen ganzen
       Themenabend gewidmet – der Totalausfall wäre komplett gewesen.
       
       Den meisten öffentlich-rechtlichen Sendern hingegen war das Thema keinen
       eigenen Sendeplatz wert. Nicht mal der Norddeutsche Rundfunk hielt es für
       nötig, auch nur die Sonntagsrede des Bundespräsidenten zu übertragen. Und
       Günther Jauch wollte an diesem Tag lieber mit der konservativen Publizistin
       Gertrud Höhler über deren Brass auf Angela Merkel plaudern, als Lehren aus
       Rostock-Lichtenhagen zu ziehen.
       
       Schlimm ist, dass er damit die wichtigste Polit-Talkshow im deutschen
       Fernsehen mal wieder zur schnöden Werbeplattform für ein peinliches
       Krawall-Buch degradierte. Schlimmer ist, dass damit mal wieder eine
       Gelegenheit verpasst wurde, über rassistisches Denken und Handeln in
       Deutschland zu sprechen.
       
       Der Bundespräsident hat in Rostock über die „Angst vor dem Fremden“
       gesprochen, die sich bei manchen bis zum Hass steigern könne, und darüber,
       warum solche Gefühle in Ostdeutschland besonders verbreitet sind. Das Wort
       Rassismus vermied er, und über die berechtigten Ängste und die Wut – etwa
       von Migranten – verlor er, wie die öffentlich-rechtlichen Medien, dagegen
       kaum ein Wort.
       
       27 Aug 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Daniel Bax
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Rostock-Lichtenhagen
       
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