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       # taz.de -- Selbst-Demontage: Scharmützel bei Piraten
       
       > Bereits zum dritten Mal versuchen Niedersachsens Piraten, ihre
       > Kandidatenliste für die Landtagswahl 2013 festzulegen. Womöglich ist es
       > die letzte Chance.
       
   IMG Bild: Wenn die Piraten sich in Delmenhorst wieder Sandkasten-Spiele leisten, könnte es eng werden mit der Teilnahme an der Landtagswahl.
       
       HAMBURG taz | Denkbar weit entfernt scheinen Niedersachsens Piraten von der
       jüngsten Ankündigung ihres Bundesvorsitzenden Bernd Schlömer: Der sieht die
       Partei im Bund in etwa zwei Jahren regierungsfähig, auf Landesebene
       vielleicht „auch schon nach der Niedersachsenwahl“ im Januar 2013. Dort
       versinken die Piraten allerdings im Chaos: Bei einem Parteitag am
       Wochenende in Delmenhorst wollen die niedersächsischen Piraten ihre
       Kandidatenliste für die Wahl beschließen – im dritten Versuch.
       
       ## Jetzt oder nie
       
       Und der muss klappen. „Es gibt keinen Termin danach“, sagt etwa Mainhart
       Ramaswamy, Mitglied des Landesvorstandes. Er war bei der ersten, inzwischen
       annullierten Listenwahl im April zum Spitzenkandidaten gekürt worden. In
       Delmenhorst, wo ursprünglich schon das Wahlprogramm diskutiert werden
       sollte, tritt Ramaswamy jetzt zum dritten Mal für den Posten an. „Wenn
       Delmenhorst kippt“, sagt er, „sind wir bei der Landtagswahl nicht dabei.“
       
       Auch Landesparteichef Andreas Neugebauer sieht „tatsächlich ein Problem“,
       sollte nach dem dritten Versuch keine Liste stehen: Bis 22. Oktober müssen
       die Piraten ihre Wahlanzeige beim Landeswahlleiter machen, um für die Wahl
       in fünf Monaten zugelassen zu werden. Und eine formal korrekte
       Kandidatenliste einreichen, 2.000 Unterstützerunterschriften und ein
       Wahlprogramm.
       
       Statt sich vor diesem Hintergrund aber zu sortieren, zerlegen sich
       Niedersachsens Piraten lieber selbst. Das Landesschiedsgericht erklärte die
       erste Kandidatenkür vom April für nichtig, gleich mehrere Einsprüche hatte
       es dort gegen die Aufstellung gegeben. Beim zweiten Anlauf, im Juli,
       gelangte ein zweitägiger Parteitag wegen verschiedener Formfehler erst gar
       nicht zur finalen Abstimmung. Beschlossen wurde lediglich ein Pool aus 30
       Personen, über deren Reihenfolge auf der Landesliste nun abgestimmt werden
       soll.
       
       Auch das freilich ist ein Beschluss, der vor dem Schiedsgericht angefochten
       wird – wie fast jede Entscheidung. Noch am Mittwochabend etwa wurde etwa
       ein Einspruch gegen die Einladungsfrist für den Parteitag abgewiesen. „Es
       gibt einige wenige, die immer wieder Alarm schlagen“, sagt Landeschef
       Neugebauer. Das ärgere ihn „maßlos“ – aber der Rechtsweg stehe jedem offen:
       „Wir sind keine Basta-Partei.“ Neugebauers Erklärung für die Querelen:
       „Gekränkte Egos“. Die meisten Kritiker seien „Leute, die sich für
       Listenplätze beworben haben, aber nicht gewählt wurden.“
       
       So wie Carsten Schulz, der mit der Forderung nach Straffreiheit für
       Holocaustleugner die Debatte über den Umgang mit rechtsextremen Tendenzen
       mitentfacht hat. Schulz’ Aufstellung als Direktkandidat in Hannover hatte
       der Landesvorstand annuliert. Dagegen will Schulz nun angehen,
       gegebenenfalls vor dem Bundesverfassungsgericht. Bei der ersten Listenwahl
       landete er dann nur noch auf Platz 56. Zuletzt verkündete er, sich als
       Direktkandidat in Wolfenbüttel zu bewerben.
       
       Der Posten dort ist Anfang August frei geworden: Der bisherige Kandidat zog
       zurück, nachdem er eine Petition für die Freilassung des Holocaustleugners
       Horst Mahler unterschrieben hatte und dafür kritisiert wurde. Für den Fall,
       dass nun Schulz Direktkandidat in Wolfenbüttel wird, hat der Landesvorstand
       bereits angekündigt, Widerspruch einzulegen, zudem läuft ein
       Parteiausschlussverfahren gegen Schulz.
       
       So wie gegen den Hannoveraner Volker Schendel. Der einstige Justiziar im
       Wirtschaftsministerium, heute vornehmlich Esoteriker, gilt ebenfalls als
       notorischer Anfechter jeglicher Parteibeschlüsse. Während sich Landeschef
       Neugebauer zu den laufenden Ausschlussverfahren nicht äußern will, hält er
       am Wahlziel von wenigstens sechs Prozent fest, allen Querelen zum Trotz.
       Auch in den letzten Umfragen lagen die Piraten in Niedersachsen bei sieben
       Prozent.
       
       ## Bescheidene Ziele
       
       Die ehrgeizigen Ziele von Bundeschef Schlömer allerdings weist der
       Landesvorsitzende zurück: „Man muss ehrlich sein, ich sehe uns auch in zwei
       Jahren nicht als Regierungspartei“, sagt Neugebauer. Und fügt hinzu: „Das
       würde uns auch nicht gut tun.“ Fraktionszwang wie üblich im Parlament, nur
       des Koalitionsfriedens zuliebe, statt freier Entscheidung: „Genau das
       wollen wir doch nicht.“
       
       24 Aug 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Teresa Havlicek
       
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