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       # taz.de -- Doku über militärische Verseuchung: Alles in die Luft gejagt
       
       > Nach einer taz-Recherche widmet sich nun das ZDF der Verseuchung rund um
       > ein Waffentestgelände: „Sardiniens tödliches Geheimnis“.
       
   IMG Bild: Auch die Bundeswehr hat das Schießgelände von Salto di Quirra lange genutzt.
       
       Ein Nato-Schießplatz, der auch als Viehweide benutzt wird? Warum eigentlich
       nicht, kann man sich ja schon mal fragen: Dann findet neben der Ballerei
       wenigstens noch was Sinnvolles statt, in „Salto di Quirra“, dem größten
       militärischen Sperrgebiet Europas im Osten Sardiniens.
       
       Das Problem ist nur, was bei der Explosion von Napalm und der Sprengung von
       Munitions- und Waffenresten aus dem Zweiten Weltkrieg so alles freigesetzt
       wird; und da haben wir noch nicht von Uranmunition geredet, von
       Milanraketen der Bundeswehr mit dem hochgiftigen Thorium und auch nicht von
       bei Belastungstest in die Luft gejagten Gaspipelines.
       
       All das erzeugt tödlichen Staub, der sich in der Luft, im Wasser im Boden
       und schließlich in der Nahrungskette festsetzt, der Viehzüchter tötet,
       gespenstisch missgestaltete Lämmer, Kälber und Kinder hervorbringt. Den in
       Berlin lebenden sardischen Musiker Pitzente Bianco beschäftigt die Frage,
       was mit Natur, Tier und Mensch rund um „Salto di Quirra“ geschieht, seit
       vielen Jahren.
       
       ## Bianco ist hartnäckig
       
       Und er ist dabei so hartnäckig geblieben, dass die taz im vergangenen Jahr
       ein Reporterteam mit ihm losschickte und den [1][Skandal Quirra nach
       Deutschland brachte]. Dass nun auch das ZDF mit Bianco auf die Insel
       gereist ist, um mit Protagonisten vor Ort zu sprechen, darf er durchaus als
       große persönliche Bestätigung empfinden.
       
       Der halbstündige Film „Sardiniens tödliches Geheimnis“ vermittelt nicht
       zuletzt durch – im Internet allerdings schon lange verfügbares –
       Dokumaterial einen Eindruck vom perversen Gegensatz zwischen Kriegsspielen
       und einer grandiosen Natureinsamkeit. Wer 50.000 Euro die Stunde auszugeben
       bereit war, der durfte in Quirra alles machen, was er wollte, ungestört.
       Bis der für die Gegend zuständige Staatsanwalt Domenico Fiordalisi nicht
       mehr wegschaute und Ermittlungen einleitete – die, und das ist eine von
       zwei Neuigkeiten im Vergleich zum taz-Artikel, inzwischen abgeschlossen
       sind.
       
       Fiordalisi sagt im Film, es könne nicht darum gehen, Quirra zu schließen,
       das sei jedenfalls nicht seine Aufgabe, sondern Verantwortliche für
       konkrete Verbrechen an Mensch und Natur haftbar zu machen, „punto e
       basta!“. Dass auch das ZDF an dieser Stelle anhält und keinen
       Verantwortlichen der Bundeswehr, die das Gelände lange genutzt hat, vor die
       Kamera gebracht hat, ist bedauerlich.
       
       ## Nur das übliche Dementi
       
       Von der Waffenschmiede MBB (heute EADS) bekommt man auch nur das übliche
       Dementi („nie Uranmunition getestet“), der Hersteller der thoriumhaltigen
       Milanraketen, die – zweite Neuigkeit – ebenfalls dringend verdächtig sind,
       die Gegend verseucht zu haben, äußert sich gleich gar nicht, ebenso wenig
       das italienische Militär. Was man durchaus als Indizien sehen darf, dass
       die Quirra-Geschichte noch lange nicht zu Ende erzählt ist.
       
       Sehr eindringlich gelingt es Bianco und dem ZDF-Team allerdings, die
       beklemmende Atmosphäre vor Ort einzufangen, in den Dörfern und Kleinstädten
       rund um Quirra. Wer über den Skandal offen spricht, wie der junge
       Viehzüchter Luca Melis, muss mit Repressalien rechnen. Sein Bruder starb an
       Leukämie. Als er diese Tragödie öffentlich mit dem Truppenübungsplatz in
       Verbindung brachte, wurde ihm das Auto angezündet, die Viehzäune hat man
       ihm geöffnet und die Rinder von der Weide getrieben. Viele Menschen im
       Osten Sardiniens wollen nicht einsehen, dass das Leben mit dem Militär der
       einst armen Region zwar bescheidenen Wohlstand gebracht hat, aber
       gleichzeitig die Lebensgrundlagen vernichtet.
       
       In Quirra wird weiter geballert und gesprengt. Als Weide ist das Gelände
       gesperrt, eine Sanierung ist angekündigt, wird aber sehr viel kosten und
       kann also dauern. Es wird auch in Zukunft hartnäckige Leute wie Pitzente
       Bianco brauchen, damit der Skandal Quirra nicht von der Tagesordnung
       verschwindet.
       
       „planet e: Sardiniens tödliches Geheimnis“; Sonntag, 13.30 Uhr, ZDF
       
       26 Aug 2012
       
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