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       # taz.de -- HSH-Nordbank: "Mehr Milch als je zuvor"
       
       > Vier Jahre nach der großen Krise profitieren Schleswig-Holstein und
       > Hamburg von der gemeinsamen Bank - während Jobs vernichtet werden.
       
   IMG Bild: HSH-Chef Paul Lerbinger fasst sich an den Kopf.
       
       HAMBURG taz | Es ist eines der weit verbreitetsten Vorurteile im Norden:
       Die Rettung der maroden HSH Nordbank habe Hamburg und Schleswig Holstein
       Milliarden gekostet, beide Länder an den Rand des Ruins gebracht und damit
       den Steuerzahler so richtig bluten lassen. Kaum eine Initiative, die für
       bessere Bildung oder den Erhalt von Kürzungen bedrohter Kindergärten
       streitet, kommt aus ohne eine Aussage à la: „Für die HSH Nordbank habt ihr
       Geld …“.
       
       Doch was gängig ist und einleuchtend klingt, stimmt deshalb noch lange
       nicht: Denn vier Jahre nach der Beinahe-Insolvenz der Nordbank steht fest:
       Deren Rettung hat die Steuerzahler nicht nur keinen einzigen Cent gekostet
       – sondern, ganz im Gegenteil, Hamburg und Schleswig-Holstein zu Gewinnern
       der Bankenkrise gemacht. Beide Länder verdienen sich die sprichwörtliche
       goldene Nase und schröpfen „ihre“ Bank stärker als zu deren besten Zeiten.
       Geradestehen für das Nordbank-Desaster müssen bislang allein die
       Beschäftigten des Instituts.
       
       Eine Rückblende: Am 24. Februar 2009 beschlossen die Kieler und die
       Hamburger Landesregierung auf einer gemeinsamen Kabinettssitzung einen
       norddeutschen Rettungsplan für die von der Insolvenz bedrohte Bank. Eine
       Finanzspritze von drei Milliarden – die beiden Länder eine Erhöhung ihres
       Anteils von 55,4 auf insgesamt 83,3 Prozent bescherte – sollte das
       aufgebrauchte Eigenkapital der HSH wieder aufstocken. Zudem sollte eine
       Sicherheitsbürgschaft über weitere zehn Milliarden Euro – die so genannte
       „Zweitverlustgarantie“ – dafür sorgen, dass die Bank auch bei weiteren
       Ertragseinbrüchen handlungsfähig bliebe.
       
       Mit dieser Garantie machen beide Länder, die ihre Nordbank-Aktivitäten über
       eine eigens gegründete Anstalt des öffentlichen Rechts, die „HSH
       Finanzfonds“, abwickeln, richtig Schotter: Die zehn Milliarden-Bürgschaft
       lassen sie sich mit einer so genannten „Avalprovision“ von jährlich 4
       Prozent vergüten. Rund 900 Millionen flossen so allein zwischen 2009 und
       2011 in die beiden Länderkassen.
       
       Schnell aber wurde klar, dass die langsam sich erholende Bank Bürgschaften
       in dieser Höhe gar nicht benötigen würde. Der entstandene Verlust konnte
       durch die Eigenkapitalaufstockung nahezu ausgeglichen werden, die erfolgten
       internen Umstrukturierungen trugen dazu bei, dass die Nordbank wieder in
       Richtung Gewinnzone steuerte.
       
       Im Juli 2012 zahlte die Nordbank deshalb ihre letzte vom Sonderfonds
       Finanzmarktstabilisierung (Soffin) garantierte Anleihe in Höhe von drei
       Milliarden Euro planmäßig an den Bund zurück. Schon im Jahr zuvor hatten
       Ex-HSH-Vorstandchef Dirk Jens Nonnenmacher und sein Nachfolger Paul
       Lerbinger obendrein Sicherheitsgarantien in Höhe von drei der insgesamt
       zehn Milliarden Euro an die beiden Länder zurückgegeben und so die
       jährliche Provisionsbelastung der Bank von 400 auf 280 Millionen Euro
       reduziert.
       
       Bis 2015 würde Lerbinger gern auch die verbliebenen Bürgschaften in Höhe
       von sieben Milliarden Euro los werden, da die fälligen Provisionen das
       Sanierungstempo der Bank empfindlich bremsen. Doch sind ihm die Hände
       gebunden: In der HSH-Zentrale am Hamburger Gerhart-Hauptmann-Platz hält
       sich hartnäckig das Gerücht, dass Hamburg und Schleswig-Holstein auf dem
       kleinen Dienstweg Druck auf den Bank-Vorstand ausgeübt haben: Reduzierte
       dieser die Garantien weiter, würde das die beiden Länder um ihre Provision
       bringen.
       
       Tatsache ist: Trotz deutlich verbesserter Ertragslage wurde die Bank
       bislang nicht offiziell vorstellig, was eine Absenkung der Garantiesumme
       angeht. „Einen solchen Antrag hat es definitiv nicht gegeben“, erklärt
       Unternehmenssprecher Rune Hoffmann. So bleibt es vorläufig bei der üppigen
       Sieben-Milliarden-Garantie und einer jährlichen Provision von 280 Millionen
       Eurofür Hamburg und Kiel – weit mehr, als die HSH in guten Jahren an
       Dividende an ihre Mehrheitseigner ausschüttete. Selbst 2007, im Jahr vor
       der Krise also, erhielten beide Länder nur eine Dividende von rund 100
       Millionen Euro. „Die Kuh gibt mehr Milch als je zuvor“, freut sich deshalb
       ein Mitarbeiter der Hamburger Finanzbehörde.
       
       Die Folge: War Lerbinger einst an die HSH-Spitze geholt worden, um den
       Verkauf großer Teile der Bank einzufädeln, spricht heute in Kieler und
       Hamburger Regierungskreisen niemand mehr davon, Anteilspakete abzustoßen.
       Längst ist die gemeinsame Bank für beide Länder wieder zum Profitcenter
       geworden.
       
       „Die Anteilseigner verdienen üppig, die Zeche der Krise hingegen zahlen
       allein die Mitarbeiter“, klagt hinter vorgehaltener Hand ein führender
       HSH-Manager. Während Hamburg und Schleswig-Holstein täglich fast eine
       Million Euro von der Bank überwiesen bekommen, muss das Kreditinstitut
       strenge Auflagen umsetzen. Die gab ihr die EU-Kommission als Hausaufgabe
       mit auf den Sanierungsweg und knüpfte daran die staatlichen Hilfen und
       Garantien.
       
       Bis 2014 soll die Bank dramatisch verkleinert, ihre Bilanzsumme von 205
       Milliarden im Jahr 2007 auf 82 Milliarden Euro mehr als halbiert werden –
       und ebenso die Zahl der Mitarbeiter. Von den im Konzernbericht 2007
       ausgewiesenen 4.756 Nordbank-Angestellten sollen knapp 2.200 übrig bleiben,
       der Rest muss abgefunden oder in den Vorruhestand befördert werden.
       
       Nach einer ersten Runde Personalabbau stehen derzeit noch etwa 1.200
       Arbeitsplätze vor der Streichung – rund 480 davon in Hamburg, gut 350 in
       Kiel, der Rest in sonstigen Niederlassungen. Auch wenn der mit 200
       Millionen Euro gefüllte „Restrukturierungsfonds“ üppige Abfindungen und
       Reserven für großzügige Übergangsregelungen bereithält – an der absehbaren
       Vernichtung von Arbeitsplätzen besteht kein Zweifel.
       
       22 Aug 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Marco Carini
       
       ## TAGS
       
   DIR HSH Nordbank
       
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