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       # taz.de -- Rassistischer Überfall auf Palästinenser: „Von mir aus soll er draufgehen!“
       
       > Vier israelische Jugendliche schlagen in Westjerusalem auf drei junge
       > Palästinenser ein, andere sehen zu. Einer der Verletzten liegt jetzt auf
       > der Intensivstation.
       
   IMG Bild: Die Palästinenser fühlen sich in Israel nicht willkommen.
       
       JERUSALEM taz | Nur einer hat die Schuld bislang zugegeben. „Von mir aus
       soll er draufgehen“, sagte der Jugendliche bei der Vorführung vor dem
       Untersuchungsrichter. Er ist einer von vier minderjährigen Tatverdächtigen
       und einem 19-Jährigen, die an dem „Lynch“ beteiligt gewesen sein sollen,
       wie Augenzeugen sagen. Dutzende Jugendliche sollen mitgemacht haben.
       
       „Für uns ist es ein Fall gewaltsamer Auseinandersetzung“, formulierte
       Polizeisprecher Micky Rosenfeld am Montag auf Anfrage zurückhaltender.
       Einer der drei Palästinenser, über die die Menge am Wochenende in
       Westjerusalem herfiel, wurde bis zur Bewusstlosigkeit mit Schlägen und
       Fußtritten auf den Kopf malträtiert.
       
       Ein Rettungsteam des Roten Davidsterns, das ihn ohne Atmung und Herzschlag
       auffand, benötige mehrere Minuten für seine Wiederbelegung. Der junge Mann
       muss vorerst auf der Intensivstation bleiben. Er kann sich an die Momente
       vor seiner Bewusstlosigkeit nicht mehr erinnern.
       
       Der Jüngste der Angreifer ist gerade 13 Jahre alt. „Er sagt, er habe nichts
       getan“, versuchte eine Mutter ihren Sohn zu verteidigen, der „zwar manchmal
       aufmüpfig“ sei, aber „nicht gewalttätig“.
       
       Auf ihrer Facebook-Seite beschrieb eine junge Zeugin des Überfalls ihre
       Erlebnisse und Empfindungen. Der junge Palästinenser habe „mit den Augen
       gerollt“, als er zu Boden fiel, schreibt sie, „sein Kopf war verdreht, und
       dann rannten die, die ihn getreten hatten, weg“. Die restliche Menge habe
       sich „mit Hass in den Augen“ in einem Kreis um den Bewusstlosen gestellt.
       „Ein Jude ist eine Seele, ein Araber ein Hurensohn“, hätten sie gerufen.
       Dabei hätten die drei Palästinenser niemanden provoziert. „Sie gingen
       friedlich über die Ben-Yehuda-Straße“, schreibt die Zeugin, die sich fragt,
       wie es passieren kann, dass „Kinder andere Kinder im gleichen Alter mit
       eigenen Händen töten“.
       
       ## „Unerträgliche Toleranz“ gegenüber Gewalt
       
       Professor Gabi Salomon, Direktor des Zentrums für Friedenserziehung in
       Haifa, glaubt, dass die „unerträgliche Toleranz“ gegenüber Gewalt in den
       palästinensischen Gebieten Grund dafür ist. Da sei es „nicht so schlimm,
       wenn man einem Araber das Auto anzündet“, meinte Salomon gestern gegenüber
       der Stimme Israels. Auf einmal reagiere die Polizei so schnell. „Wo war
       sie, als die Moscheen brannten?“
       
       Schwere Brandverletzungen erlitt Ende letzter Woche eine fünfköpfige
       palästinensische Familie und ihr Fahrer, als bislang Unbekannte einen
       Molotowcocktail auf das Taxi warfen, mit dem sie in der Nähe von Bethlehem
       unterwegs waren.
       
       Regierungschef Benjamin Netanjahu verurteilte den Angriff auf das Taxi. Er
       versprach, die Täter ihrer gerechten Strafe zuzuführen. Nach Ansicht von
       Salomon müsse die Regierung in Jerusalem klarere Worte gegen die Gewalt
       finden. „Ich will einen Regierungschef sehen, der offen und hart gegen die
       Brandstifter vorgeht“, sagt er. Die Verhaftung der jugendlichen Angreifer
       in Jerusalem macht ihm Hoffnung. „Vielleicht schlägt die Polizei nun eine
       neue Richtung ein.“
       
       20 Aug 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Susanne Knaul
       
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