URI: 
       # taz.de -- Tatortpremiere in Dortmund: Westtribüne feiert neues Team
       
       > Im Westfalenstadion sind die Dortmunder das Jubeln gewöhnt. Am Freitag
       > feierten sie dort die Premiere des neuen „Tatorts“ aus dem Pott. Der ist
       > authentischer als befürchtet.
       
   IMG Bild: Premiere Stadion des BVB: Der neue Tatort aus Dortmund kommt im September ins Fernsehen.
       
       DORTMUND taz | Aylin Tezel steht immer noch auf der Bühne vor der großen
       Kinoleinwand im Stadion des Deutschen Fußballmeisters und beantwortet
       Fragen. Der erste Fall in Dortmund des neuen „Tatort“-Teams ist längst
       gelöst, die Sitzreihen auf der Haupttribüne haben sich geleert, Tezel ist
       die Letzte, die noch arbeitet.
       
       Und die vielleicht überraschendste Besetzung im ohnehin verhältnismäßig
       unbekannten Ermittlerteam des Dortmunder „Tatort“: 29 Jahre alt, bekannt
       aus der Kinokomödie „Almanya – Willkommen in Deutschland“. Wie sie hat ihre
       Figur Nora Dalay türkische Wurzeln. Muttersprache: deutsch.
       
       Während Jörg Hartmann (Hauptkommissar Faber) von weiblichen Fans seines
       Alters umschwärmt wird, muss Tezel zum gefühlt zehnten Mal Stellung
       beziehen zur Anfangsszene des Films. „Alter Ego“ beginnt mit einem Mord,
       ein junger Mann wird erstochen. Er taumelt und fällt und schreit und
       keucht, gegengeschnitten: ein Pärchen beim Sex, das taumelt und fällt und
       schreit und keucht; als der Mann sein Leben aushaucht, kommt die Frau zum
       Orgasmus.
       
       Es ist die von Tezel gespielte Kommissarin Dalay, mit ihr im Bett der
       Kollege Daniel Kossik (Stefan Konarske). Und jetzt will man wissen, wie es
       die Schauspielerin im echten Leben hält mit der Trennung von Beruf und
       Privatem. „Wenn man sich verliebt, verliebt man sich eben“, sagt Tezel. Und
       seufzt – kaum hörbar, aber müde.
       
       Dass das Interesse an ihr und der „Welturaufführung“ dieses neuen „Tatorts“
       aus Dortmund groß sein würde, war im Vorfeld klar. Die Wucht allerdings war
       überraschend: Ausverkauftes Haus bedeutet bei der Veranstaltungsreihe „Kino
       im Stadion“ zwar nicht 80.720 Zuschauer, doch die frei verkäuflichen
       Tickets für die 1.200 Plätze waren in Rekordtempo ausgebucht.
       
       ## Euphorie statt realistischer Zurückhaltung
       
       Vor die Tore des Stadions sind am Freitagabend trotzdem eine Menge Menschen
       ohne Tickets gekommen – sie wollten irgendwie versuchen reinzukommen und
       blieben dann noch ein wenig draußen stehen, um etwas vom Sound
       mitzubekommen. Im Stadion brandet erstmals Applaus auf, als die Sonne
       endlich untergegangen ist und – der „Tatort“-Vorspann ertönt.
       
       Obwohl der Ruhrgebietler ja eher zur realistischen Zurückhaltung neigen
       soll, herrscht hier Euphorie. Man hatte in der letzten Zeit zwar so seine
       Zweifel gehabt am Gelingen dieses neuen „Tatorts“. Etwa, als bekannt wurde,
       dass für „Alter Ego“ viel in Köln gedreht wurde. Würde Dortmund als Stadt
       überhaupt ordentlich zu sehen sein? Und würden es die Karnevalsnasen vom
       WDR aus Köln überhaupt hinkriegen, nicht nur auf den alten Pottklischees
       herumzureiten?
       
       Spätestens als Kommissar Kossik am Morgen nach der Anfangsszene von einem
       Borussia-Dortmund-Klingelton auf seinem Handy geweckt wird, ist im Publikum
       jedes Misstrauen gegen den WDR gewichen. Die Dortmunder lieben ihre Stadt,
       und auch ihr neues Ermittlerteam haben sie ins Herz geschlossen.
       
       Am 23. September wird „Alter Ego“ auf dem traditionellen
       „Tatort“-Sendeplatz der ARD ausgestrahlt – und damit der Film für den Leser
       auch so spannend bleibt, wie er ist, hier nur eine grobe Handlungsskizze:
       Der Ermordete ist Student und schwul, es scheint sich um ein
       Eifersuchtsdrama zu drehen. Die Ermittlungen führen in die
       High-Tech-Branche (Strukturwandel) und ins Dortmunder U (Wahrzeichen der
       Stadt!), Hauptkommissar Faber sagt „Hömma“ (Ruhrpottdialekt!), und am
       Schluss explodiert es.
       
       Die Reaktion bei der Premiere: Riesenapplaus auf der Westtribüne. Die
       Dortmunder sind schwer stolz auf ihren „Tatort“. Später sagt Aylin Tezel:
       „Ich find’s total geil, dass das hier im BVB-Stadion war. Das Publikum ist
       ja voll mitgegangen! Fantastisch.“ Dann hat auch sie Feierabend.
       
       20 Aug 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Benjamin Weber
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA