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       # taz.de -- Wirtschaftsbeziehungen Kubas: Alte Freunde bleiben treu
       
       > Die Wirtschaft des Karibikstaats wächst trotz aller Reformen kaum.
       > Venezuela ist noch die wichtigste Stütze für Kuba – China und Russland
       > helfen wieder mehr.
       
   IMG Bild: Ein guter Freund ist nicht genug: Neben Hugo Chavez (li.) intensiviert Raúl Castro die Beziehungen zu China und Russland.
       
       HAMBURG taz | Das Verhältnis zwischen Raúl Castro und Hugo Chávez ist
       ausgesprochen gut. Anfang Mai holte Kubas Staatschef den Kollegen aus
       Venezuela auf der Rollbahn des internationalen Airports von Havanna ab, wo
       Chávez eingetroffen war, um sich in Kuba weiter gegen seine Krebserkrankung
       behandeln zu lassen.
       
       Der Gesundheitszustand des derzeit wohl wichtigsten Förderers Kubas ist für
       die Regierung in Havanna genauso ein Risiko wie die für Oktober anstehenden
       Wahlen. Sowohl der Tod als auch eine Wahlniederlage von Hugo Chávez könnten
       dafür sorgen, dass die Karibikinsel quasi über Nacht die tägliche Lieferung
       von 90.000 Barrel Erdöl zu Sonderkonditionen verlieren könnte.
       
       „Darauf ist Kubas Ökonomie nicht vorbereitet“, erklärt Óscar Espinosa
       Chepe. Der Ökonom, der einst für die Zentralbank Kubas arbeitete, aber seit
       Jahren zu den international bekannten Dissidenten der Insel gehört,
       beurteilt den Ertrag der jüngsten Reformen als mager. Eine Einschätzung,
       die auch die Cepal, die UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die
       Karibik, teilt.
       
       Drei Prozent Wachstum prognostizieren die Experten im laufenden Jahr der
       Insel – ein Prozent weniger als die Prognose für die gesamte Region.
       Angesichts der Reformen, die seit dem September 2010 landesweit angelaufen
       sind und die international für Schlagzeilen gesorgt haben, ist das
       enttäuschend.
       
       ## Steigende Nahrungsmittelimporte
       
       Zwar sind mittlerweile mehr als 380.000 Lizenzen für Selbstständige in Kuba
       ausgegeben worden, aber bisher ist es trotz aller Kritik kubanischer
       Sozialwissenschaftler nicht zu einer Erweiterung der Möglichkeiten
       gekommen, sich selbstständig zu machen. Dies sei auch ein Grund für
       steigende Nahrungsmittelimporte, sagen Kritiker. Die hat die Regierung von
       Raúl Castro auf 1,717 Milliarden US-Dollar für dieses Jahr taxiert, so dass
       ein steigender Importbedarf die Finanzplanung der Regierung
       durcheinanderbringen könnte.
       
       Auch ein Grund, weshalb Staatschef Raúl Castro bis Mitte Juli in Vietnam,
       China und Russland unterwegs war, um die „bilateralen Beziehungen zu
       intensivieren“, wie es in der Parteizeitung Granma lapidar hieß. Ziel des
       80-jährigen Staatschefs war es jedoch, neue Kreditlinien und zusätzliche
       Investitionen zu akquirieren – und da war der Jüngere der beiden
       Castro-Brüder durchaus erfolgreich. So hat China, nach Venezuela Kubas
       wichtigster Handelspartner, neue Entwicklungskredite zugesagt, und aus
       Russland winken Investitionen in Höhe von 2,5 Milliarden US-Dollar in der
       Ölindustrie.
       
       Die Zusage aus Russland kommt wie gerufen, denn das Engagement von
       Venezuela bei der Exploration und Verarbeitung von Erdöl ist eng an Hugo
       Chávez geknüpft. Venezuelas Präsident ist aber gesundheitlich angeschlagen,
       und er sieht sich bei den Wahlen einem ernst zunehmenden Herausforderer
       gegenüber. Ein Plan B für Kubas marode Wirtschaft war deshalb notwendig.
       Den scheint Raúl Castro bei den alten Freunden gefunden zu haben.
       
       20 Aug 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Knut Henkel
       
       ## TAGS
       
   DIR Recherchefonds Ausland
       
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