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       # taz.de -- Schwedische Justiz zu Julian Assange: Er kriegt keine Sonderbehandlung
       
       > Schweden gibt zwar keine Garantien für Julian Assange. Das Rechtssystem
       > des Landes jedoch bietet mehr Sicherheiten für den Wikileaksgründer als
       > Ecuador.
       
   IMG Bild: Julian Assange (l.) im Gespräch mit seinem juristischen Beistand, dem früheren spanischen Ermittlungsrichter Balthasar Garcon.
       
       STOCKHOLM taz | Warum garantiert Schweden Julian Assange nicht einfach,
       dass man ihn nicht an die USA ausliefern wird, sollte er ins Land kommen
       und sich dort den gegen ihn erhobenen Vorwürfen stellen? Muss eine solche
       Weigerung nicht geradezu als Bestätigung dafür gesehen werden, dass
       Stockholm vielleicht tatsächlich etwas „im Schilde führt“?
       
       „Schweden kann ebenso wenig wie ein anderer Rechtsstaat eine solche
       Garantie geben.“ Das sagt Ex-Oberstaatsanwalt Sven-Erik Alhem. Er hatte im
       Februar 2011, im Auslieferungsverfahren vor dem Gericht in London, als
       einer der wichtigsten Zeugen für Assange ausgesagt und dabei den Umgang der
       schwedischen Justiz mit dem Wikileaks-Gründer heftig kritisiert.
       
       Eine solche Garantie wäre ganz einfach ein Grundrechtsverstoß, sagt Alhem.
       Eine Einschätzung die andere JuristInnen teilen: Ein Rechtsstaat hält sich
       an das Recht und die Gerichte sind unabhängig. Auch für einen Julian
       Assange gibt es kein Sonderrecht.
       
       Sollte ein Auslieferungsbegehren der USA kommen, müsste das anhand des
       geltenden Rechts gerichtlich geprüft werden. In ein Land, in dem einem
       Beschuldigten die Todesstrafe drohen könnte, darf Schweden grundsätzlich
       nicht ausliefern. Das sind die juristischen Sicherheiten, die Assange wie
       jede andere Person hat. So zweifelhaft solche Ranglisten sein mögen: Auf
       der von „Transparency International“ aufgestellten Liste über die
       Unabhängigkeit der Justiz rangiert Schweden jedenfalls auf Platz 3 von 140
       gewerteten Staaten - Ecuador auf Platz 132.
       
       ## Keine Sonderbehandlung
       
       Warum fliegt die zuständige Staatsanwältin Marianne Ny nicht einfach nach
       London und verhört Assange in der ecuadorianischen Botschaft? Ein solches
       Verhör in Grossbritannien hat die Staatsanwaltschaft in der Vergangenheit
       zum einem aus ermittlungstechnischen Gründen, zum anderen auch deshalb
       abgelehnt, weil Julian Assange keine Sonderbehandlung bekommen soll. Dass
       Assanges Rechtsanwalt die schwedische Staatsanwältin mit Stalins
       Geheimdienstchef Berija verglichen hat, dem die Verantwortung für
       Massenmorde an einer halben Million Menschen zugeschrieben wird, dürfte
       ihre Bereitschaft Entgegenkommen zu zeigen, vermutlich nicht gerade
       gesteigert haben.
       
       Zusätzlich verweist Fredrik Berg, Sprecher der Anklagebehörde, auf
       formaljuristische Hindernisse: „Hat man erst einmal einen Haftbefehl
       erlassen, hat man diesen Weg gewählt. Wenn dieser Prozess in Gang ist, kann
       man nicht einfach nach London fahren und dort verhören.“ Man würde ja damit
       die Entscheidungen der schwedischen und britischen Justiz aushebeln.
       
       Aber ist mit der Asylgewährung für Assange nicht eine neue Situation
       entstanden und spricht nicht nur gesunder Menschenverstand, sondern auch
       die Rechtssicherheit für eine solche Lösung, fragen verschiedene
       Medienkommentare: Schließlich gebe es ja zwei Frauen, die nun schon seit
       zwei Jahre darauf warten, dass ihre Anzeigen endlich juristisch untersucht
       werden. Sollen sie nun noch länger warten? Wenn man wie das Stockholmer
       „Aftonbladet“ die Rücksichtslosigkeit Assanges gegenüber diesen beiden
       Frauen als „moralischen Kollaps, der auch den Ruf von Wikileaks schwärzt“
       bewertet – verhält sich die Staatsanwaltschaft gegenüber diesen Frauen
       nicht auch rücksichtslos?
       
       Ein „endloser Assange-Fall“ sei wohl nur zu vermeiden, wenn dieser so
       schnell wie möglich freiwillig nach Schweden komme, empfiehlt der
       Entlastungszeuge Alhem dem Wikileaks-Gründer.
       
       Aller Voraussicht nach erwartet Assange eine Einstellung des
       Ermittlungsverfahrens mangels ausreichendem Tatverdacht. Das werde nach dem
       Verhör mit Assange, seinem bisherigen Leugnen und angesichts der bekannten
       Beweislage das mutmaßliche Resultat sein, erwarten nahezu alle
       Strafrechtler die sich zum Fall geäußert haben.
       
       19 Aug 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Reinhard Wolff
       
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