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       # taz.de -- Späte Einsicht der Union: Endlich eine echte Homoehe
       
       > Mann, Frau, verheiratet. Für viele Konservative ist das die einzig selig
       > machende Konstellation. Doch jetzt verändert sich der Umgang der Union
       > mit Schwulen und Lesben.
       
   IMG Bild: Lesbisches Pärchen, in Taiwan und im gleichen Kleid.
       
       Die Homoehe ist schlecht. Denn sie führt in die Irre. Suggeriert, dass
       Schwule und Lesben heiraten können mit allen Rechten und Pflichten, die
       eine Ehe mit sich bringt. „Homoehe“ war der Kampfbegriff der konservativen,
       christlichen Gegner und der Versuch, das prägnant zu fassen, was Rot-Grün
       im Jahr 2000 politisch auf den Weg brachte. Weniger sperrig solle es sein
       als „eingetragene Lebenspartnerschaft“.
       
       Die Gesellschaft für Deutsche Sprache suchte 2002 nach einem
       Alternativbegriff und empfahl „Gleichenehe“. Durchgesetzt hat sich das
       nicht. Auch nach dem Vorstoß von 13 CDU-Abgeordneten zur steuerlichen
       Gleichstellung von homosexuellen Paaren ist überall von der „Homoehe“ die
       Rede.
       
       Die Homoehe ist auch lächerlich. Nie war sie weitreichend. In mühsamer
       Kleinarbeit wurde sie über elf Jahre hinweg mit Leben gefüllt, mit den
       Rechten für schwule und lesbische Paare. Noch immer dürfen homosexuelle
       Paare nicht adoptieren und gemeinsame Steuerklärungen abgeben.
       
       Der Staat bevorzugt verheiratete Schornsteinfeger bei Rentenansprüchen
       gegenüber verpartnerten. Verpartnerte Sprengsstoffmeister können ihre
       Lizenzen nicht auf ihre Partner übertragen, in einer Ehe geht das. Bis vor
       einem Jahr mussten Schwule und Lesben in Baden-Württemberg ihre
       Verpartnerung in der KFZ-Zulassungsstelle feiern, nicht im Standesamt.
       
       ## Geschichte der „Homoehe“
       
       Der lange Kampf um die eingetragene Lebenspartnerschaft begann 1989.
       Dänemark schrieb Weltgeschichte, als es als erstes Land die eingetragene
       Partnerschaft für Schwule und Lesben einführte.
       
       „Es war ein Aha-Erlebnis. Das Thema wurde aus dem Bereich des Irrealen in
       den Bereich der realen Politik geholt“, sagt Günter Dworek, Mitglied im
       Bundesverband des Lesben- und Schwulenverbands Deutschland (LSVD). Die
       Belange von Schwulen und Lesben waren hier kaum präsent. Das veränderte
       sich, als 1992 bei der symbolischen „Aktion Standesamt“ 250 schwule und
       lesbische Paare bei Standesämtern in ganz Deutschland das – damals noch
       nötige – Aufgebot bestellten, eine Art Voranmeldung vor der eigentlichen
       Trauung. Die Medien berichteten intensiv, die Bevölkerung wurde aufmerksam
       auf die Belange Schwuler und Lesben.
       
       Die endgültige Entkriminalisierung von Homosexualität kam in Deutschland
       erst 1994 mit der Abschaffung des Paragrafen 175. Er sanktionierte sexuelle
       Handlungen zwischen Männern strafrechtlich.
       
       ## 2001 wurde die „Homoehe“ erstmals rechtlich anerkannt
       
       Die Politik reagierte noch später. Zwei Jahre nach dem Start von Rot-Grün
       im Bund wurde das Lebenspartnerschaftsgesetz im Bundestag verabschiedet. Am
       1. August 2001 trat es in Kraft. Erstmals wurden damit
       gleichgeschlechtliche Partnerschaften rechtlich anerkannt. In der
       Bevölkerung fand ein Stimmungswechsel statt. Noch im Frühjahr 2001
       befürwortete weniger als die Hälfte der Bundesbürger die eingetragene
       Lebenspartnerschaft, Ende des Jahres waren es rund zwei Drittel. Trotzdem
       kämpfte die Union erbittert dagegen an.
       
       Der Gesetzentwurf ist ein „gesellschaftspolitischer Irrweg und ein
       inakzeptabler Einschnitt in die gesellschaftlichen Grundvorstellungen.“
       Angela Merkel (CDU), Juli 2000 
       
       Teile des Gesetzes waren im Bundesrat zustimmungspflichtig. Rot-Grün
       spaltete es also in zwei Bereiche. Verabschiedet wurde vorläufig nur die
       Lebenspartnerschaft, die den homosexuellen Paaren vor allem Pflichten, kaum
       aber Rechte zugestand.
       
       Eine Verfassungsklage von Bayern, Sachsen und Thüringen wegen Gefährdung
       des grundrechtlich gebotenen Schutzes der Ehe verwarf das
       Bundesverfassungsgericht 2002. Erst 2005 wurde das bestehende Gesetz um
       entscheidende Rechte – etwa bei der Rentenversicherung, dem Unterhalt und
       der sogenannten Stiefkindadoption – ergänzt. Besonders Letztgenannte führte
       bei der Union zu teils erbosten Reaktionen.
       
       „Heute ist ein guter Tag für Lesben und Schwule und ein trauriger Tag für
       alle Kinder, die in diesen Beziehungen leben.“ Ute Granold (CDU), 2004 
       
       Mit Kanzlerin Merkel begann Ende 2005 der politische Stillstand in Sachen
       Gleichstellung. Statt selbst zu agieren, ließ sich die Regierung vom
       Bundesverfassungsgericht zur Gleichstellung zwingen.
       
       2010 fiel ein Urteil zur Gleichstellung bei der Erbschaftsteuer, vor
       wenigen Wochen wurde der Familienzuschlag auch verpartnerten Beamten
       zugestanden.
       
       ## Offene Homophobie in der CSU
       
       Die Union passte sich meist nur mit Zeitverzögerung der Realität an. Ein
       grundlegender Wandel hat nicht stattgefunden. Besonders in der CSU herrscht
       teils noch offene Homophobie:
       
       „In der Ehe und bei heterosexuellen Paaren liegt die Zukunft. Und nicht bei
       irgendwelchen Fehlentwicklungen.“ Norbert Geis (CSU), 2009 
       
       Solche Rechtsaußenpositionen sind heute zwar Minderheitsmeinung. Ein
       Diskussionsprozess über die Rechte von Schwulen und Lesben fand bei den
       Konservativen aber nie statt. Es wurde oft nur akzeptiert, was andere
       durchgesetzt haben.
       
       Im Umgang mit Schwulen und Lesben ist die Union dagegen offener geworden.
       „Bis vor zehn Jahren haben sie kaum mit uns gesprochen, Anfragen wurden oft
       abgeblockt. Das hat sich verändert“, sagt Günter Dworek vom LSVD. Trotzdem
       gibt es bei vielen Konservativen noch Ressentiments. Vor allem beim
       Adoptionsrecht.
       
       „Dabei geht es allein um die Selbstverwirklichung von Lesben und Schwulen
       und nicht um das Wohl des Kindes.“ Volker Kauder (CDU), Juli 2009 
       
       Auch in der aktuellen Debatte um die steuerliche Gleichstellung von
       Lebenspartnerschaften laufen manche konservativen Gegner wieder zu
       Höchstformen auf.
       
       „Eine gleichgeschlechtliche Verbindung kann ja keine Kinder hervorbringen,
       das wollen die auch gar nicht, sonst wären sie ja nicht in einer lesbischen
       oder schwulen Lebensgemeinschaft.“ Norbert Geis (CSU), August 2012 
       
       Das Lebenspartnerschaftsgesetz war gesellschaftlich ein großer Fortschritt
       und förderte die Akzeptanz von Homosexualität in der Bevölkerung. Für 2013
       werden zwei Urteile der Bundesverfassungsgericht zum Adoptions- und
       Steuerrecht erwartet. Angesichts der vergangenen Richtersprüche zweifelt
       kaum jemand daran, dass das Gericht auch in diesen Fragen im Sinne der
       Gleichstellung urteilt. Das hofft auch der Lesben- und Schwulenverband.
       „Das Licht am Ende des Tunnels zur Gleichstellung mit der Ehe leuchtet
       schon sehr hell“, sagt Günter Dworek.
       
       18 Aug 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Paul Wrusch
       
       ## TAGS
       
   DIR Vermittlungsausschuss
   DIR New York
       
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