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       # taz.de -- 90. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: Das Video der UNO
       
       > Ein Videofilm bringt ein Stück kongolesische Wirklichkeit in den
       > Stuttgarter Gerichtssaal: Die Demobilisierungsabteilung der UN-Mission
       > versorgt und rettet ein Opfer der FDLR.
       
   IMG Bild: Das unwegsame Gelände im Ostkongo können die Blauhelme nur mit Hilfe von Hubschraubern erkunden.
       
       STUTTGART taz | Ein weißer UN-Hubschrauber landet. Blauhelmsoldaten steigen
       aus, mit Gepäck. Auf dem Platz haben sich Menschen versammelt, mit denen
       die UN-Mitarbeiter ins Gespräch kommen.
       
       Eine banale Szene - und doch kommt damit ein Stück FDLR-Wirklichkeit in den
       Stuttgarter Gerichtssaal. Der 5. Strafsenat des OLG Stuttgart zeigt am 18.
       Juli einen Film, den Matthew Brubacher mitgebracht hat, Mitarbeiter des
       Demobilisierungs- und Repatriierungsprogramms DDRRR der UN-Mission im Kongo
       für ausländische Milizionäre im Ostkongo.
       
       Gezeigt wird ein DDRRR-Lager am Waldrand beim Ort Ngenge im Ostkongo, in
       der Nähe von Stellungen der ruandischen Hutu-Miliz FDLR (Demokratische
       Kräfte zur Befreiung Ruandas), deren Präsident und Vizepräsident Ignace
       Murwanashyaka und Straton Musoni in Stuttgart vor Gericht stehen. Hier
       wollen die UN-Mitarbeiter Kontakt zu repatriierungswilligen Milizionären
       oder ihren Angehörigen aufnehmen, um sie aus dem Kongo nach Ruanda bringen
       zu können. Es ist das Jahr 2009.
       
       ## Im Schutz der Dunkelheit
       
       „Wir bleiben mindestens zwei Wochen oder mehr“, erklärt Brubacher im Film.
       „Das sind die örtlichen FDLR, die in der Stadt patrouillieren und die Stadt
       schützen. Wir versuchen sie zu demobilisieren. Wir richten hier ein Lager
       ein. Die FDLR ist um uns herum. Wir errichten das Lager nahe am Wald. Jene,
       die zu uns wollen, können nachts zu uns durch den Wald kommen, oder wenn es
       regnet. Wenn sie bei uns sind, sind sie beschützt; es ist nur schwer, zu
       uns zu kommen.“ Er plant auch ein Treffen mit den örtlichen
       FDLR-Kommandeuren.
       
       In der Nacht gibt es einen Zwischenfall. Eine Frau trifft ein, verwundet,
       mtmaßlich von der FDLR angegriffen. „Es ist dunkel“, erzählt Brubacher. „Es
       war ein Angriff mit einer Waffe, um ihre Augen zu treffen. Er hat ihre
       Zähne gebrochen. Es ist Nacht, wir haben keinen Strom und die Kommunikation
       ist schlecht.“
       
       Dann sieht man, wie am nächsten Morgen Frauen das Opfer pflegen und zum
       Hubschrauber tragen. „Die Genehmigungen für Goma sind organisiert“, sagt
       Brubacher am Telefon. „Wir kommen nach Goma.“
       
       Auf einer Trage wird die Frau in den Hubschrauber gelegt. Die Kamera fliegt
       mit. Während des Fluges liegt die Frau auf dem Boden, mit Kopfhörern zum
       Schutz vor dem Fluglärm. Ihr Gesicht ist im Schatten oder verdeckt; man
       sieht nur, dass es ganz aufgedunsen ist vor lauter Wunden, und dass sie
       Schmerzen hat.
       
       Landung in Goma. Im Auto fährt Brubacher die Frau zur Spezialklinik „Heal
       Africa“ für Vergewaltigungsopfer. Bei der Klinik spricht der UN-Mitarbeiter
       mit einem Mann, der erzählt, dass auch seine Frau neulich bei der Arbeit
       auf dem Feld angegriffen wurde. Es sei erst wenige Wochen her.
       
       Der Film ist zu Ende. Der Vorsitzende Richter stellt ein paar Fragen: Was
       war der Zweck des Films, der Adressat? Es war Teil der
       Öffentlichkeitsarbeit der UN-Mission, agt Brubacher.
       
       ## Aus Wochen werden Jahre
       
       Die Bundesanwaltschaft will mehr über den Ort wissen. In Ngenge sollte
       eigentlich nur zwei Wochen lang eine UN-Präsenz eingerichtet werden,
       antwortet Brubacher, aber das Lager „ist heute noch da“. Es wurde auf dem
       Fußballfeld von Ngenge eingerichtet, geschützt von uruguayischen
       UN-Einheiten, umgeben von Schulgebäuden; die Siedlung selbst liegt auf
       einem Hügel.
       
       Zum Angriff auf die Frau weiß Brubacher zu berichten: „Die Frau kam von ein
       bis zwei Kilometern Entfernung zu uns. Ich kenne den Ort nicht, aus dem sie
       kam. Der Angriff geschah, als sie auf dem Feld arbeitete. Ich war bei ihr
       zu Hause, es war eine Reihe von Häusern entlang des Fußpfades.“
       
       Weil er sich um die Frau kümmerte, konnte Brubacher nicht am geplanten
       Treffen zwischen DDRRR und FDLR teilnehmen. Eigentlich ist die
       DDRRR-Abteilung insgesamt für die Rettung von Opfern nicht zuständig. „Aber
       es ist nicht gut, jemanden so leiden zu sehen“, erklärt Brubacher zum
       Abschluss im Film. „Wir sollen die Kämpfer repatriieren. Aber unser
       umfassendes Mandat ist es, zu helfen und zu schützen.“
       
       Redaktion: Dominic Johnson
       
       15 Aug 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bianca Schmolze
       
       ## TAGS
       
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