# taz.de -- Textilindustrie gegen Ökostromförderung: Die ängstlichen Schneiderlein
> Einige Verlierer der Subventionspolitik ziehen vor Gericht. Die
> Textilbranche glaubt, das Erneuerbare-Energien-Gesetz sei
> verfassungswidrig. Auch FDP und CDU meckern.
IMG Bild: Nur als Motiv auf Stoffen von der Branche gerne gesehen, nicht als Energiequelle.
BERLIN taz | Drei Textilunternehmen halten das
[1][Erneuerbare-Energien-Gesetz] (EEG) für verfassungswidrig. Über eine
Klage vor drei Landgerichten wollen sie mit ihrem Anliegen bis vor das
Bundesverfassungsgericht ziehen. Die Textilhersteller fürchten um ihre
Wettbewerbsfähigkeit durch steigende Stromkosten; von 70 Millionen Euro
jährlich ist die Rede - das macht knapp 0,5 Prozent des Branchenumsatzes.
Der Zeitpunkt der Veröffentlichung eines bereits im Januar fertig
gestellten Gutachtens ist sorgfältig gewählt. Just am Wochenende wetterten
die FDP-Spitzenmänner Philipp Rösler und Christian Lindner über das EEG und
forderten einen Systemwechsel. EU-Energiekommisar Günther Oettinger (CDU)
erneuerte daraufhin in einem Interview mit der Bild seine alte Forderung
nach einer maximalen Obergrenze für die EEG-Umlage. Die wird von allen
Verbrauchern automatisch mit ihrer Stromrechnung entrichtet, derzeit sind
es 3,59 Cent pro Kilowattstunde, etwa 14 Prozent der Stromkosten.
Teile der Industrie mit besonders hohem Energieverbrauch sind allerdings
großzügig von der Umlage befreit - sehr zum Frust etwa der
Textilhersteller. Die wollen am 24. Oktober mit einem weiteren Gutachten
Alternativen für den Systemwechsel aufzeigen - kurz danach wird die
EEG-Umlage für 2013 bekannt gegeben. Erwartet wird ein Aufschlag auf
mindestens fünf Cent.
Dass es vor allem um ein politisches Signal gehe, daraus machte
Wolf-Rüdiger Baumann vom Gesamtverband Textil und Mode keinen Hehl. Um die
„planwirtschaftliche Art der Umsetzung“ der Energiewende möglichst schnell
zu stoppen, müsse man jetzt auf die Politik einwirken, anstatt auf ein
mögliches Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu warten.
Dreh- und Angelpunkt der angeblichen Verfassungswidrigkeit des EEG ist der
„Kohlepfennig“, der von 1974 bis 1995 auf den Strompreis aufgeschlagen
wurde, bis das Bundesverfassungsgericht die Regelung stoppte. Wenn der
Staat Steinkohle fördern wolle, müsse er dies aus Steuermitteln tun,
urteilten die Richter damals.
## Lösungsvorschlag „Energiewende-Soli“
Nach Ansicht des Gutachters Gerrit Manssen, Juraprofessor an der
Universität Regensburg, muss deshalb auch die Förderung erneuerbarer
Energien über den Staatshaushalt und nicht über die Stromverbraucher
finanziert werden. Textillobbyist Baumann sagt, wenn die Energiewende
tatsächlich eine Jahrhundertaufgabe sei, müsse man auch über Ungewöhnliches
wie einen „Energiewende-Soli“ als Sondersteuer nachdenken.
Hintergrund ist, dass nur ein Bruchteil der Betriebe der Textilbranche von
der EEG-Umlage befreit sind. Dort gibt es viele Mittelständler, die zu
wenig Energie für die Befreiung verbrauchen. Einer der Kläger, Dieter
Dörrmann von der Spinnweberei Uhingen, sieht Fehlanreize im System. „Es
werden gerade die Mittelständler bestraft, die deutlich effizienter
geworden sind.“ Damit würden sie nicht mehr unter die energieintensiven
Betriebe fallen, die weniger EEG-Umlage zahlen müssen.
Selbst die Grünen zeigen Verständnis für die Situation der Branche. Die
stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Bärbel Höhn,
wirft der Bundesregierung vor, die Energiekosten für Privatleute und kleine
bis mittelständische Unternehmen ungerechtfertigt in die Höhe zu treiben.
14 Aug 2012
## LINKS
DIR [1] http://www.erneuerbare-energien.de/erneuerbare_energien/gesetze/eeg/doc/47585.php
## AUTOREN
DIR I. Arzt
DIR W. Sandkühler
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