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       # taz.de -- Kurdenkonflikt in der Türkei: PKK entführt Abgeordneten
       
       > Die kurdische PKK hat einen Abgeordneten des türkischen Parlaments
       > entführt. Die Armee sucht nach Hüseyin Aygün von der Republikanischen
       > Volkspartei.
       
   IMG Bild: Hüseyin Aygün wurde von der PKK „in Gewahrsam“ genommen.
       
       DIYARBAKIR afp | Im Konflikt zwischen kurdischen Rebellen und der Türkei
       haben PKK-Kämpfer erstmals einen türkischen Abgeordneten entführt. Hüseyin
       Aygün von der Republikanischen Volkspartei (CHP) sei am Sonntag „in
       Gewahrsam“ genommen worden, hieß es in einer am Montag über die
       pro-kurdische Nachrichtenagentur Firatnews verbreiteten PKK-Erklärung. Die
       türkische Armee suchte mit einem Großaufgebot nach dem Entführten.
       
       Die Rebellen warnten in ihrer Erklärung, ein Eingreifen der Armee würde
       Aygüns Leben gefährden. Der Politiker war nach Angaben aus türkischen
       Sicherheitskreisen am Sonntag in seinem Wahlkreis nahe der Stadt Tunceli im
       Osten der Türkei unterwegs, als Rebellen das Auto auf der Straße stoppten
       und ihn entführten. Nach Angaben des Gouverneurs von Tunceli, Mustafa
       Taskesen, ließen die Geiselnehmer die Begleiter des Abgeordneten, einen
       Journalisten und einen Assistenten, zurück. Aus dem Umfeld von Aygün heiß
       es, die Entführer hätten gesagt, sie würden ihn „in wenigen Tagen“ wieder
       freilassen.
       
       Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hatte am Sonntagabend
       versichert, alle Sicherheitskräfte seien für die Jagd auf die „Terroristen“
       mobilisiert. Die Entführung Aygüns sollte am Montag Thema bei einer
       Kabinettsitzung in Ankara sein. Ein Sprecher der CHP verurteilte am Montag
       die Entführung. Der Vorfall zeige „auf welchem Niveau der Terrorismus
       inzwischen angekommen“ sei, sagte der Sprecher.
       
       ## Aufmerksamkeit vorm Jahrestag
       
       Es ist das erste Mal in dem jahrzehntelangen Kampf der PKK gegen die
       Regierung in Ankara, dass sie einen Abgeordneten entführt hat.
       Innenminister Idris Naim Sahin sagte, die PKK wolle mit der Entführung vor
       dem Jahrestag ihres ersten bewaffneten Einsatzes am 15. August 1984 auf
       sich aufmerksam machen. Der 42-jährige Anwalt Aygün hatte den Zorn der PKK
       auf sich gezogen, als er die Miliz zur Niederlegung der Waffen aufforderte.
       
       SPD-Generalsekretärin der SPD Andrea Nahles forderte die „unverzügliche“
       Freilassung des Entführten. Aygüns CHP ist eine Schwesterpartei der
       deutschen Sozialdemokraten. Die Grünen-Parteichefin Claudia Roth äußerte
       sich „bestürzt“ über den Vorfall. Sie lobte Aygüns Einsatz für ein Ende des
       Kurdenkonflikts und für die Stärkung von Minderheitenrechten in der Türkei.
       
       Die Kämpfe zwischen kurdischen Rebellen und der türkischen Armee hatten
       sich in den vergangenen Wochen verschärft. Nach mehreren Angriffen hatte
       die Armee Ende Juli eine Boden- und Luftoffensive gegen Stützpunkte der PKK
       gestartet. Am 5. August wurden bei der Erstürmung eines türkischen
       Armeepostens an der irakischen Grenze durch die Rebellen 22 Menschen
       getötet. Insgesamt starben seit Beginn der Offensive am 23. Juli nach
       offiziellen Angaben mindestens 115 Rebellen.
       
       In den vergangenen drei Jahrzehnten wurden schätzungsweise 45.000 Menschen
       bei dem Konflikt zwischen kurdischen Rebellen und türkischen
       Sicherheitskräften getötet. Die Kurdische Arbeiterpartei ist inzwischen von
       ihrer Forderung nach einem unabhängigen Kurdistan im Südosten der Türkei
       abgerückt und strebt vor allem nach kulturellen Minderheitsrechten und
       einer Stärkung der demokratischen Teilhabe der Kurden.
       
       13 Aug 2012
       
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   DIR Istanbul
       
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