URI: 
       # taz.de -- Überschuss in der Handelsbilanz: Deutschland verliert das Gleichgewicht
       
       > Die deutsche Handelsbilanz wird dieses Jahr einen Rekordüberschuss
       > aufweisen. Die Kehrseite sind Schulden in anderen Ländern, vor allem im
       > Euroraum.
       
   IMG Bild: Deutsche Produkte sind auf dem internationalen Markt extrem gefragt.
       
       BERLIN taz | Die deutsche Wirtschaft lebt nach wie vor von ihren Exporten,
       auch wenn die Nachfrage aus dem kriselnden Euroraum schwächelt. Im Juni
       wurden nach Angaben des Statistischen Bundesamts Waren im Wert von 94,6
       Milliarden Euro ausgeführt, gut 7 Prozent mehr als im Vorjahr. Die
       Einfuhren dagegen beliefen sich auf nur 76,7 Milliarden Euro. Macht einen
       Handelsbilanzüberschuss von fast 18 Milliarden Euro.
       
       Wenn das so weitergeht, wird Deutschland in diesem Jahr Weltmeister im
       Überschüssemachen, hat das Münchner Ifo-Institut hochgerechnet. Der
       Überschuss in der deutschen Handelsbilanz werde bis Jahresende auf 210
       Milliarden Dollar (171 Milliarden Euro) steigen.
       
       Selbst China, das Deutschland 2009 als Exportweltmeister abgelöst hat,
       bringe es nur auf einen Überschuss von 203 Milliarden Dollar. Der Grund:
       Zwar nehmen die chinesischen Exporte immer noch zu, aber die Einfuhren
       wachsen noch schneller. Dank relativ großzügiger Lohnerhöhungen können sich
       eben inzwischen viele Chinesen Importwaren leisten. Anders als in
       Deutschland, wo die Reallöhne über Jahre stagnierten oder sogar schrumpften
       und wo die Importe zuletzt zurückgingen.
       
       In Deutschland sieht man die Exportüberschüsse gern als großen Erfolg an.
       Dabei wird unterschlagen, dass es sich beim Außenhandel um einen globalen
       Wirtschaftskreislauf handelt. Den deutschen und chinesischen Überschüssen
       stehen anderswo massive Defizite gegenüber - vor allem in anderen
       europäischen Ländern und in den USA.
       
       Irgendwer muss all die deutschen Ausfuhren ja kaufen und bezahlen. Die
       dafür nötigen Einnahmen können die Importländer im Prinzip entweder durch
       eigene Ausfuhren in etwa demselben Umfang verdienen. Oder sie nehmen dafür
       Schulden auf. Da Deutschland seinen Handelspartnern zu wenig Waren abnimmt,
       blieb vor allem vielen Eurostaaten nur die zweite Option. Die zunehmenden
       Ungleichgewichte in den Handelsbilanzen können daher als ein wesentlicher
       Auslöser der europäischen Schuldenkrise gelten.
       
       Das ist auch der EU nicht verborgen geblieben. Ihr neues makroökonomisches
       Frühwarnsystem will daher gegen die Ungleichgewichte vorgehen: Es sieht
       eine Begrenzung nicht nur der Defizite vor, sondern auch der
       korrespondierenden Überschüsse. Dabei hatte die auf die deutschen
       Exporterfolge so stolze Bundesregierung in Brüssel noch durchsetzen können,
       dass in dem Verfahren Defizite nach wie vor negativer bewertet werden als
       Überschüsse. Trotzdem wird Deutschland den ifo-Berechnungen zufolge in
       diesem Jahr wohl die Latte reißen und sich ein Mahnverfahren einhandeln.
       
       13 Aug 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Nicola Liebert
       
       ## TAGS
       
   DIR Steuersenkung
   DIR WTO
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Haushaltsüberschuss des Staates: Forderung nach Steuersenkungen
       
       Der Rekordüberschuss des Staates weckt Begehrlichkeiten. Politiker von
       Union und SPD fordern, einen Teil der Milliarden an die Bürger
       weiterzugeben.
       
   DIR Außenhandelsstatistik revolutioniert: Das Märchen „Made in Germany“
       
       WTO und OECD wollen es genau wissen: Wird die Herkunft einzelner
       Produktkomponenten berücksichtigt, verändern sich die Außenhandelsbilanzen.
       
   DIR SPD kritisiert „Schuldenunion“: Eine Billion Euro Risiko
       
       Die SPD spricht von einer „völlig intransparenten Weise“ der
       Entscheidungsfindung. Deutschland hafte in Eurokrise bereits jetzt mit rund
       einer Billion Euro. Auch Merkel kriegt ihr Fett weg.
       
   DIR Fairer Handel boomt trotz Krise: Blumen zum Kaffee
       
       Der deutsche Markt für Fair-Trade-Produkte wuchs 2011 um 16 Prozent. Rund
       100.000 Bundesbürger setzten sich ehrenamtlich für den fairen Handel ein.
       
   DIR Konsumforscher über Krise in Deutschland: „Sie schaffen sich Betongold an“
       
       Der Konsumforscher Rolf Bürkl über gelassene Deutsche in der Krise, die
       geringe Angst vor Arbeitslosigkeit und die Binnenkonjunktur.
       
   DIR Konjunktur in Deutschland: So gut kann es nicht weitergehen
       
       Bislang wächst die Wirtschaft hierzulande, aber wie lange noch? Der
       Geschäftsklimaindex ist auf einen zweijährigen Tiefstand gesunken. Ein
       Abwärtstrend ist in Sicht.