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       # taz.de -- Olympia – 50 Kilometer Gehen: Geht klar
       
       > Immer schön auf dem Boden bleiben, fünfzig Kilometer lang. Der russische
       > Stirnglatzenmann Sergey Kirdyapkin macht das am besten und gewinnt Gold.
       
   IMG Bild: Da gehen sie Sonnenbaden
       
       Die Startbedingungen: Geht gar nicht, sagen einige. Geht klar, andere. Geht
       ganz schön lang, sagen die, die da gehen. Genau genommen: 50 Kilometer
       gehen. Hui. 25 Runden à zwei Kilometer gehen die 63 Starter. Den ganzen
       Vormittag lang.
       
       Zur Regelkunde: Auf dem Boden bleiben ist oberstes Gebot bei den Gehern.
       Eigentlich muss bei den Schritten immer Bodenkontakt da sein, und das
       vordere Bein muss beim Aufsetzen auf den Boden gestreckt sein. So viel zur
       Theorie. Aber: Es geht um den mit menschlichem Auge – genauer: mit
       Gehrichters Auge – sichtbaren Bodenkontakt. Würde man in dieser Sportart
       den Videobeweis einführen, wäre das Rennen wohl nach ein, zwei Kilometern
       gelaufen, denn so viel ist da nicht mit Bodenkontakt bei vielen.
       
       Als Favoriten gelten Igor Erokhin, Sergey Kirdyapkin, Sergey Bakulin (alle
       Russland), auch der Australier Jared Tallent hat Talent.
       
       Die Entscheidung: 12er-Gruppe vor 6er-Gruppe vor 2er-Gruppe. So sieht's
       nach elf, zwölf Kilometern aus. Runde um Runde gehen sie, und wieder kommen
       die Duschen, und wieder das Queen Victoria Memorial. Bis zur 25
       Kilometer-Marke bleibt eine Gruppe von zehn Läufern vorne. Der Australier
       Nathan Deakes führt das Feld an, vor Sergey Bakulin aus Russland und dem
       Guatemalteken Erick Barrondo.
       
       Bei 30 Kilometer sind's noch neun, die das Geschehen vorne bestimmen.
       Zwischen 30 und 35 Kilometer setzt sich Tianfeng aus China an die Spitze.
       Drei russische Läufer folgen ihm, sie laufen als Team. Kurz nach der
       40-Kilometer-Marke überholen die Russen. Kirdyapkin vor Bakulin und
       Erokhin. Der Chinese Si hält mit, dahinter Tallent. Drei Stunden zehn
       vorbei, Stirnglatzenmann Kirdyapkin versucht sich abzusetzen.
       
       Mit Erfolg! Die beiden anderen Russen können nicht folgen, nun sind Tallent
       und Si hinter ihm her. Aber er hat schon etwa hundert Meter Vorsprung.
       Kirdyapkin dreht dann seine einsamen Runden da vorne. Das Rennen scheint
       gelaufen. Noch fünf Kilometer. Das lässt er sich nicht mehr nehmen:
       Kirdyapkin holt Gold in olympischer Rekordzeit (3:35,59)! Ein souveräner
       Gang, den der Russe da über die letzten zehn Kilometer hinlegt. Silber für
       Tallent, Bronze für Tianfeng.
       
       Das Drama: Den armen Typen, die da nach gut drei Stunden, nach vierzig
       Kilometern disqualifiziert werden, gilt unser Mitleid.
       
       Die Schlussfolgerung: Geht so.
       
       Und sonst? „Unreine Gangart“ nennt man es wohl, wenn die Geher wegen
       fehlenden Bodenkontakts rausgeschmissen werden. Der Reichsbund für
       Leibesübungen wird sicher ein Auge drauf haben. Nein, natürlich sind es
       heute die Gehrichter, die aufpassen. Sie laufen da rum, als wollten sie
       Knöllchen verteilen. Stattdessen aber schwenken sie gelbe und rote Kellen
       und ziehen Geher von der Strecke. Nur die Unreinen natürlich.
       
       11 Aug 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jens Uthoff
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