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       # taz.de -- Kolumne Politik von unten: Tigerbabys ziehen immer
       
       > Naturschutzgruppen haben keine Probleme mit der Wahl ihrer Werbemotive.
       > Für Attac ist es schwieriger, denn Systemkritik ist komplexer als große
       > Augen.
       
   IMG Bild: Es geht so einfach: Werbung mit Großkatze.
       
       Neunundneunzig Prozent der erfolgreichen Spenden-Kampagnen sind eine
       Beleidigung unserer Intelligenz. Care International wirbt noch immer mit
       Bildern schwarzer hilfloser Kinder, die Hauptspendeneinnahmen im
       Naturschutzsektor kommen über Fotos narkotisierter Tigerbabys. Eine
       Twitteranalyse zeigt, dass die erfolgreichsten Themen Kinder, Schweine und
       Sex sind.
       
       Wer aber mit Nahrungsmittelspekulation oder der Demokratisierung der
       globalen Unternehmen kommt, hat schnell verloren. Vielen Dank, wenn Sie
       hier noch lesen, obwohl ich schon vier sperrige Begriffe benutzt habe.
       Danke, und großes Lob an Ihre Intelligenz.
       
       Attac hat keine Tigerbabys, und das, was dort oft als Schwein bezeichnet
       wird, trägt Anzug und Krawatte. Attac kommt aus der Systemkritik und die
       ist von vornherein ziemlich komplex. Doch damit ist der Überzeugungskampf
       noch nicht verloren, denn Attac ist voller kleiner Wunder.
       
       Erstens will Attac nicht an die Macht, sie wollen Macht verteilen. Kaum ein
       Haufen in dieser Größe nimmt Demokratie so ernst. Zweitens sind sie bunt
       und kreativ. Ich kenne kaum einen Ort, an dem eine junge linksradikale
       Punkerin so angeregt mit einem alten Gewerkschafter debattiert. Drittens
       treffen sich dort Menschen, die wirklich Lust auf Veränderung haben.
       
       Als ich bei der Aktionsakademie am vergangenen Wochenende in Mainz Clowns-
       und Adbusting-Workshops gab, war ich wieder mal von der Energie und dem
       Enthusiasmus der TeilnehmerInnen überwältigt. Attac ist ein
       grenzenüberschreitendes Bündnis von Menschen, deren Herz links schlägt. Und
       die dazu noch versuchen, global zu denken! Und damit beginnt das erste
       Problem.
       
       Das europäische Bewusstsein für Globalität begann 1492 mit Kolumbus, ein
       alltägliches Bewusstsein haben wir erst im vergangenen Jahrhundert
       entwickelt. Und global zu denken tut einfach weh. Unsere Empathiefähigkeit
       kann mit Ozonschichten, Finanzströmen und Aids wenig anfangen. Um
       einfühlsam zu sein, brauchen wir schon ein sonnenkrebsverbranntes
       HIV-Äffchen, dem ein böser Kapitalist die Banane klaut.
       
       Ach Gottchen, damit wären wir dann bei der Reduktionsfalle. So eine
       Kampagne würde vielleicht Millionen spontane Unterstützer finden und Attac
       reich machen, aber alle Äffchen wären nachhaltig als arme dumme Dinger
       bekannt, denen geholfen werden muss. Dahinter steht: Affen sind Opfer. Nee,
       lassen wir das.
       
       Eine große Chance für Attac liegt heute darin, dass Antikapitalismus
       salonfähig geworden ist. Wie der Philosoph Slavoj Zizek optimistisch sagt,
       hat der hegelianische Weltgeist klasseninterne Kämpfe überwunden und eint
       unsere Einsicht, dass das Problem im Kapitalismus liegt. Nun gilt es, neben
       einer fundierten Kritik auch die globalen Alternativen bekannt und beliebt
       zu machen. Akteure zu finden, die auf alternative Eigentumskonzepte
       einsteigen. Mit einzelnen spektakulären Kampagnen zivilen Ungehorsams
       schauen dann auch alle hin und machen vielleicht gar mit.
       
       Ziehen wir Ackermann die Unterhose aus und verkaufen wir sein Mittagessen
       bei Ebay! Aber wehe, daraufhin wird für Spenden an die arme Deutsche Bank
       aufgerufen.
       
       10 Aug 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jean Peters
       
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