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       # taz.de -- Krumme Geschäfte mit Windparks: Schöne Rechnung, keine Ausschüttung
       
       > Anleger haben den Chef eines Windparks erfolgreich weggeklagt. Er soll
       > sich selbst zu hohe Honorare genehmigt haben. Der Kopf des
       > Branchenverbands bleibt er dennoch.
       
   IMG Bild: Lohnende Investition: Windkraft zahlt sich für viele Anleger finanziell noch nicht aus.
       
       BERLIN taz | Windenergie ist eine überwiegend gute Sache, meint man. Doch
       gerade bei der Ökoenergie sind unseriöse Geschäftspraktiken stark
       verbreitet. Deshalb schauen Bürger, die ihr Geld in Windparks investieren,
       häufig in die Röhre. Das ganze Ausmaß dieser Missstände kommt erst
       allmählich ans Licht. „Bei unseren Untersuchungen finden wir kaum
       Windfonds, die sich für Anleger lohnen“, sagt Ariane Lauenburg von der
       Verbraucherschutzzeitschrift Finanztest. 
       
       Ein aktuelles Beispiel ist der Windpark Möbisburg bei Erfurt. Dort haben
       die Anleger vor dem Thüringer Oberlandesgericht erstritten, dass der
       ehemalige Geschäftsführer Stephan Hloucal den Park nicht weiterführen darf.
       Die große Mehrheit der Anteilseigner der elf Windanlagen meint, dass das
       Management sich unter anderem viel zu hohe Honorare reserviert habe.
       
       Interessanterweise ist der umstrittene Exgeschäftsführer noch immer
       Vorsitzender des Thüringer Windenergieverbandes, also der
       Regionalorganisation des Bundesverbandes Windenergie, des wichtigsten
       Branchenverbandes mit rund 20.000 Mitgliedern. Wie kann jemand wie Stephan
       Hloucal die Interessen einer ganzen Branche vertreten, wenn viele Anleger
       ihm die vertrauenswürdige Führung eines Windparks nicht zutrauen?
       
       Der abgesetzte Geschäftsführer Hloucal selbst will sich nicht äußern. Der
       Bundesverband Windenergie sagt, Hloucal sei „demokratisch gewählt“, an
       „seinem ehrenamtlichen Engagement als Landesvorsitzender gibt es nichts zu
       beanstanden“.
       
       ## Anleger warten bis heute auf Ausschüttungen
       
       Offenbar aber hat der Verband ein Problem. Der gute Ruf der Zukunftsenergie
       Windkraft ist bedroht. Denn der Konflikt von Erfurt scheint symptomatisch
       zu sein für weite Teile der Branche. „Unseriöse Finanzpraktiken kommen bei
       geschlossenen Wind- und Erneuerbare-Energien-Fonds häufig vor“, sagt
       Finanztest-Mitarbeiterin Lauenburg.
       
       Ihre Diagnose: „Anbieter rechnen Erträge schön und genehmigen sich für ihre
       Dienste kräftige Vergütungen.“ Auch das Beispiel Möbisburg scheint das zu
       bestätigen: Auf der Internetseite der am Projekt beteiligten Firma UDI kann
       man sich die Windstatistik ansehen. Die geplanten Erträge liegen deutlich
       über den tatsächlich erzielten. Bis heute erhalten die Anleger keine
       Ausschüttung.
       
       Genaue Zahlen dazu, wie verbreitet diese Phänomene sind, gibt es noch
       nicht. Die Aufarbeitung steht am Anfang. Christian Herz von der Firma
       Ökofair, der neue Geschäftsführer des Windparks Möbisburg, hat rund 600 der
       etwa 2.500 deutschen Windfonds analysiert. Sein Ergebnis: „Bei den großen
       Massenpublikumsgesellschaften, die in der Boomphase 1997 bis 2005 eröffnet
       wurden, erfüllen über die Hälfte die Prognosen nicht. Viele sind
       Sanierungsfälle.“
       
       „Die ganze Branche ist verwurmt“, sagt Reinhard Ernst vom Anlegerbeirat des
       Bundesverbandes Windenergie, der geprellte Anleger unterstützt. „Wer in
       Windparks investieren will, sollte dies nicht bei den großen Projektierern
       und Betreibern wie Prokon, Umaag, Energiekontor oder Plambeck tun.“
       Finanztest rät dazu, geschlossene Windfonds vor einer Investition sehr
       genau zu prüfen.
       
       Die Frage ist nun: Was soll man tun, wenn man sein Geld in erneuerbare
       Energien stecken möchte? Ernst rät zu sehr aufwendigen Lösungen:
       Bürgerwindparks oder Genossenschaften. Bei diesen Organisationsformen haben
       die Anleger ihre Geschäftsführung stärker unter Kontrolle. Um diesen
       Vorteil zu erhalten, müssen die Gesellschafter die Firma selbst gründen und
       die Verträge so formulieren, dass sie nicht über den Tisch gezogen werden.
       Das macht Arbeit, kann aber einen gewissen Schutz vor Abzocke bieten.
       
       9 Aug 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Hannes Koch
       
       ## TAGS
       
   DIR Prokon
   DIR Ökostrom
       
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