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       # taz.de -- Reise des „Curiosity“ zum Mars: Ist da jemand zu Hause?
       
       > Der Homo sapiens sucht auf fremden Planeten nach Zeichen von Leben. Dabei
       > stellt sich eine nicht unwichtige Frage: Was ist überhaupt Leben?
       
   IMG Bild: Wird es so irgendwann auf dem Mars aussehen?
       
       BERLIN taz | Ja, es gibt intelligentes Leben auf der Erde. Sogar
       hyperintelligentes, hochkomplexes und zu emotionalen Ausbrüchen fähiges
       Leben. Am Montag um 7.31 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit hat es die Nasa
       dem ganzen Erdenrund und möglicherweise dem ganzen Universum demonstriert.
       
       Sieben Minuten kauerten sie vor ihren Monitoren im Nasa-Missionskontrolle
       in Pasadena, während 570 Millionen Kilometer entfernt ihr UFfo
       vollautomatisch das wohl komplizierteste Landemanöver der
       Raumfahrtgeschichte vollführte. Dann gab die Missionskontrolle nüchtern
       durch: „Aufsetzen bestätigt“. Das Marsmobil „Curiosity“ stand
       funktionstüchtig im Marssand.
       
       2,5 Milliarden Dollar teuer und 900 Kilo schwer begann es die zerklüftete
       Umgebung zu beäugen, während seine Schöpfer auf der Erde vor Freude
       herumhüpften, als hätten sie einen auf die Erde zu rasenden Todesasteroiden
       atomisiert. Ihr Oberhaupt, US-Präsident Barack Obama, befindet sich im
       Wahlkampf und redete von Vormachtstellung.
       
       „Curiosity“ ist nicht nur das lang ersehnte Erfolgserlebnis für die Nasa,
       deren Etat ständig schrumpft und die seit der Ausmusterung der
       Spaceshuttels keine Menschen mehr ins All befördern kann. Sie ist ein
       Puzzlestück auf der Suche nach der Antwort auf eine der existenziellen
       Fragen der Wissenschaft: Gibt es außerhalb der Erde Leben? Der Marsrover
       selbst wird dazu keine explizite Antwort liefern können.
       
       Er ist zwar ein wandelndes Forschungslabor und trägt drei Kamerasysteme,
       vier Spektrometer, zwei Strahlenmessgeräte, eine Art Wetterstation und ein
       System zur Selbstreflexion der eigenen Performance in sich. Leben etwa in
       Form primitiver Einzeller direkt nachweisen kann der Roboter aber nicht.
       
       ## Klimageschichte des Mars rekonstruieren
       
       Herzstück sind die Labore, die im Inneren die Zusammensetzung der
       Atmosphäre und des Gesteins analysieren. Der Gale-Krater, in dem
       „Curiosity“ gelandet ist, stellt eine Art geologisches Museum des Mars dar,
       mit Gesteinsschichten, die sich vor Jahrmillionen abgelagert haben. Anhand
       ihrer Zusammensetzung lässt sich die Klimageschichte des Planeten
       rekonstruieren – und am Ende Aussagen darüber treffen, ob er
       lebensfreundlich war. Ebenfalls als Landeplatz war übrigens Eberswalde im
       Gespräch – nicht die Stadt in Brandenburg, sondern ein Marskrater, der nach
       ihr benannt ist.
       
       Der Art, wie „Curiosity“ forscht, markiert eine neue Vorsicht auf der Suche
       nach Leben. Der Mars ist von jeher Projektionsfläche wissenschaftlicher
       Sehnsüchte nach nichtmenschlicher Intelligenz. Legendär der italienische
       Astronom Giovanni Schiaparelli, der 1877 ein Kanalsystem auf dem Mars
       entdeckt haben will, damals keine Spinnerei.
       
       Auch die Moderne kennt ihre Irrtümer: Die US-Raumsonden „Viking 1“ und
       „Viking 2“, die 1976 landeten, suchten nach biologischen Vorgängen von
       Einzellern im Marsboden. Erst jubelten die Wissenschaftler, weil drei
       Experimente nahe legten, dass es eine Art Stoffwechsel im Boden gibt –
       dummerweise fand das entscheidende vierte Experiment keine organischen
       Moleküle.
       
       1996 wollten Wissenschaftler in einem Marsmeteoriten, der auf der Erde
       eingeschlagen war, fossile Bakterien entdeckt haben – am Ende fanden sich
       natürliche Erklärungen für die wurstigen Strukturen, die erst unter dem
       Mikroskop zu erkennen waren.
       
       ## Was ist überhaupt Leben?
       
       Heute sind sich Wissenschaftler nicht einmal grün, wie Leben überhaupt
       definiert werden sollte. Leben etwa Viren? Der Wissenschaftler Steven
       Benner schrieb kürzlich im Fachmagazin Astrobiology anekdotisch über die
       Mühen solcher Festlegungen: Eine Gruppe Wissenschaftler einigte sich
       darauf, dass essenzielle Charakteristikum von Leben sei, sich zu
       reproduzieren. Alle waren einverstanden, bis jemand den Einwand erhob, eine
       Hase allein sei demnach kein Lebewesen, weil sich ein Hase allein nicht
       reproduzieren könne.
       
       Die Nasa hat sich darauf geeinigt, Leben müsse ein sich selbst erhaltendes,
       chemisches System sein, das eine Evolution im Sinne Darwins durchlaufen
       kann. Nach dieser Definition wird jetzt auf dem Mars gefahndet. Allerdings
       gelten die Umweltbedingungen als so unwirtlich, dass kaum jemand direkt auf
       der Oberfläche Leben erwartet.
       
       John Grotzinger von der California Institute of Technology sieht darin kein
       Problem: Es sei schon ein Erfolg, wenn der Nachweis gelingen würde, dass
       sich Erde und Mars in der Frühzeit des Sonnensystem einst glichen, schreibt
       er.
       
       6 Aug 2012
       
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   DIR Ingo Arzt
       
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